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Geschützte Ursprungsbezeichnung Chianti Classico

Geschützte Ursprungsbezeichnung: Wer hat’s erfunden?

Vor rund zehn Jahren hat die Europäische Union das Weinrecht auf drei Qualitätsstufen gestellt, deren Spitze die Geschützte Ursprungsbezeichnung darstellt. Doch wer in der Geschichte damit angefangen hat, Wein per gesetzlicher Festlegung an seinen Ursprung zu binden, ist höchst umstritten.

„Master Class – Tokaj mal trocken: Furmint, Hárslevelu und Co.” hieß eine Veranstaltung der Ungarischen Tourismusagentur auf der letztjährigen Messe ProWein in Düsseldorf. Der Untertitel: „Eine authentische Präsentation der Vielfältigkeit der trockenen Weine vom Weingebiet mit der ersten Herkunftsbezeichnung der Welt.“ Tatsächlich? Aber hatte nicht gerade Italien 2016 groß gefeiert, und zwar 300 Jahre Chianti Classico? Dabei wurde immer gern das Dekret herumgezeigt, in dem Cosimo III. als, nun ja, erster ein Weinbaugebiet festlegte. Und auch das Anbaugebiet Douro wurde bei einer Veranstaltung von fünf Weingütern, die unter der Bezeichnung „Douro4U“ bei der ProWein 2018 gemeinsam auftraten, als „älteste Weinbauregion Europas mit geschützter Herkunftsbezeichnung“ bezeichnet. Wer hat’s denn nun erfunden?

Geschützte Ursprungsbezeichnung chianti classico
Der schwarze Hahn ist heute das Erkennungszeichen des Chianti Classico.
Die Qualitätspyramide im EU-Weinrecht

Zur heutigen Definition: Geschützter Ursprung heißt gemäß EU-Recht im Wesentlichen, dass der Wein aus einem klar umrissenen Anbaugebiet stammt und sich über ein Kontrollgremium schärfere (in Abgrenzung zu Weinen mit geschützter geographischer Angabe) Regeln auferlegt: etwa gedrosselte Erträge pro Hektar, festgelegte Rebsorten, ausschließliche Verwendung von Trauben aus dem Anbaugebiet, Kontrolle der Betriebe und Erzeugnisse. Was sich hinter der EU-Bezeichnung Geschützter Ursprung verbirgt, kann dennoch sehr unterschiedlich ausfallen. Dass etwa Italien rund 400 geschützte Ursprungsbezeichnungen zählt, liegt neben der reichen Weinkultur des Landes auch an den teilweise kleinen Gebieten oder Produkt-Appellationen wie Vinsanto del Chianti Classico. Die 13 deutschen geschützten Ursprungsgebiete sehen dagegen zahlenmäßig ziemlich sparsam aus, selbst wenn man berücksichtigt, dass die italienische Rebfläche rund sieben Mal größer ausfällt. Eine Besonderheit des deutschen Weinrechts, die Prädikate wie Spätlese oder Eiswein, sind dagegen einfach in der Geschützten Ursprungsbezeichnung aufgegangen, genauso wie die italienische Unterscheidung zwischen DOC und DOCG. Respektiert wird

Geschützte Ursprungsbezeichnung Douro Portugal
Hier wurde die Idee des Geschützten Ursprungs geboren, sagen zumindest manche: der Douro bei Pinhão.

aber beides als nationale Besonderheit, darf also weiter verwendet werden.

Haben die Italiener angefangen?

Nun ist also die Frage, welche Kriterien man anlegt bei der Definition des ersten Geschützten Ursprungsgebiets avant la lettre. Liest man auf der Internetpräsenz des Chianti-Classico-Kontrollgremiums nach, dann bestimmte der toskanische Großherzog Cosimo III. von Medici 1716 die geographischen Grenzen für den Chianti . Von Herstellungsverfahren ist dort nichts zu lesen. Ähnlich dargestellt wird die Sache hinsichtlich des Douro auf der Internetseite des „Instituto dos Vinhos do Douro e do Porto“ (IVDP): Der Marqués de Pombal habe 1756 die erste „demarcação das serras“ geschaffen, also ein festgelegtes Gebiet im Bergland. Auch hier scheint die geographische Herkunft das entscheidende Merkmal gewesen zu sein. Allerdings hatte die von ihm gegründete „Companhia Geral da Agricultura das Vinhas do Alto Douro“ eine Monopolstellung im Anbaugebiet, die sich laut IVDP auch die Kontrolle der Qualität auf die Fahnen geschrieben habe und gegen Panscherei vorging.

Klassifizierung nach Qualitäten
Geschützte Ursprungsbezeichnung Tokaj Ungarn
Qualität ist auch wichtig: ein fünfbüttiger Tokaji Aszú.

Auf der Internetseite Hungarianwines.eu dagegen geht es um eine andere Art der Klassifizierung: 1730 seien, so wird dort dargelegt, die Tokaj-Weinberge in erste, zweite und dritte Gewächse eingeteilt worden und damit rund 120 Jahre vor der Klassifizierung in Bordeaux (gemeint ist wohl Médoc). Hier geht es also um eine Qualitätseinteilung in gute, sehr gute und hervorragende Lagen, die freilich mit der Einteilung in Geschützte Ursprungsgebiete identisch sein kann. So stellt beispielsweise eine Grand-Cru-Lage in Burgund eine Geschützte Ursprungsbezeichnung dar, die wiederum eingebettet ist in eine an Orte gebundene (Villages) und diese wiederum in eine regionale (Bourgogne). Interessant ist auch, dass auf derselben Seite von Hungarian Wines darauf hingewiesen wird, dass Jurançon und Würzburg noch früher als Tokaj Klassifizierungen eingeführt hätten, nur seien diese nicht so genau gewesen wie die ungarischen.

Auf die Kriterien kommt es an

Auf den ersten Blick scheint die Toskana vorne zu liegen, aber kann man sie als unstrittigen Erfinder des Konzepts des geschützten Ursprungs darstellen? Gerade aus den Darlegungen auf der ungarischen Website wird deutlich, dass die Verfasser schon ein Bewusstsein dafür besitzen, dass es auf die Kriterien ankommt, zum Beispiel die Details der Regelungen und Abgrenzungen. Vor dem Hintergrund käme sicherlich auch noch das Anbaugebiet Châteauneuf-du-Pape ins Spiel. Auf dessen Internetpräsenz Chateauneuf.com heißt es, dass 1936 die Winzervereinigung ein Dekret erließ, in dem in den schon vorher festgelegten geographischen Grenzen auch Anbaumethoden, Mindestalkoholgrade, erlaubte Rebsorten und Selektion des Leseguts festgelegt wurden. Damit sei man die erste Weinbau-Appellation in Frankreich geworden. Dieses Bündel an Regularien kommt dem heutigen Konzept einer Geschützten Ursprungsbezeichnung auf jeden Fall sehr nahe.

Behauptungen als Wahrheit dargestellt
Geschützte Ursprungsbezeichnung Chianti Classico
Ob die erste Geschützte Ursprungsbezeichnung avant la lettre oder nicht, das Chianti-Gebiet ist ein gesegnetes Stück Erde.

Erstaunlich bleibt trotzdem, dass verschiedene Regionen scheinbar unwidersprochen immer wieder mit der Behauptung zu punkten versuchen, die Geschützte Ursprungsbezeichnung erfunden zu haben. Noch erstaunlicher wirkt, dass an vielen anderen Stellen diese Aussagen einfach übernommen werden, ohne die verschiedenen Ansprüche wenigstens zu diskutieren. Sagen wir daher einmal, einige Regionen haben sehr früh damit angefangen klarzustellen, dass ein bestimmter Weintyp nicht von seiner Herkunft getrennt werden kann. Das war in jedem einzelnen Falle wegweisend, sowohl für den Winzer wie auch für den Genießer, schließlich kann man etwa einen Bordeaux eben nicht überall auf der Welt keltern. Aber den einen Erfinder, den die anderen lediglich nachgeahmt hätten, wird man wohl auch weiterhin suchen müssen.

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