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Eine Flasche Wein ist im Bistro günstiger als mehrere Gläser zu nehmen.

Bedient werden und bedient sein

Nicht in jeder Kneipe erwarten wir eine weinkundige Bedienung. Im Bistrot schon!

Was wollen Sie trinken?, fragt uns die freundliche Flugbegleiterin. Ein Glas Rotwein, bitte, geben wir mit leicht gedämpfter Stimme zurück, angesichts der Tatsache, dass alle in den Sitzreihen vor uns brav stilles Wasser oder Apfelschorle bestellt haben. Hätten wir nicht die beiden schon offenen Glasflaschen auf dem Caddy gesichtet, eine aus hellgrünem, die andere aus dunklem Glas, hätten wir vermutlich kaum zu fragen gewagt. Oder zumindest damit rechnen müssen, dass allenfalls gegen Bares mit spitzen Fingern ein Minifläschchen aus dem unteren Teil des Servierwagens gezogen wird.

Flaschen ohne Etikett.
Was haben wir wohl im Glas? Ohne ein Etikett zu sehen, wird es schwierig.

Stattdessen wird prompt und zügig ein transparenter Plastikbecher gefüllt. Das war natürlich nicht vermeidbar gewesen in der Touristenklasse, aber einen Becher Wein zu bestellen haben wir einfach nicht über die Lippen gebracht. Ein Wasser dazu?, fragt die Stewardess während des Einschenkens. Bitte. Mit Sprudel? Selbst wenn sie weiß, dass das zu Rotwein keine gute Wahl ist, muss sie das in der Economy sicherlich fragen. Und während wir noch „still!“ sagen – in Bezug auf das Wasser, wohlbemerkt – erhaschen wir gerade noch einen flüchtigen Blick auf das Etikett. Anne – das ist alles, was wir noch in ausreichend großen Lettern auf der rechten Seite erkennen können. Es muss noch etwas davor gestanden haben, aus einem unerklärlichen Grunde tippen wir auf Sainte. Sainte Anne. Klingt ganz gut. Eigentlich wollten wir vor allem wissen, ob auf dem Flug nach Beirut libanesischer Wein ausgeschenkt wird. Aber das jetzt noch zu fragen, würde mindestens mal den Betrieb aufhalten. In der Touristenklasse.

Billige Krüglein aus Glas.
Oft noch immer Gastwirts Liebling: Krüglein aus Billigstglas.

Rot oder weiß, das ist die unterste Differenzierungsmöglichkeit in der Gastronomie. Vor einiger Zeit im Marienbild, einem der traditionellsten Kölner Brauhäuser. Wir bestellen Rotwein. Mit schlechtem Gewissen, weil man das grundsätzlich nicht tut in einer Kölsch-Kneipe. Wir sind gefasst auf einen spöttischen Kommentar des Köbes, wie der Wirt in solchen Lokalitäten in der Domstadt genannt wird, und auf einen sehr mäßigen Wein. Jedoch: Keine Reaktion (vielleicht liegt ja darin die größte Verachtung?) und kurze Zeit danach kracht eines dieser unsäglichen, gläsernen Henkelkrügchen, bei denen wir nicht davon ablassen können, mit den Fingern über die kantigen Nähten zu fahren, auf die Tischplatte. Nebst einem Glas. Wir sind nicht mehr sicher, ob der Köbes sein sonst obligates Zum Wohl gewünscht hat, ob dieses Frevels. Die Überraschung: Der Rote war gar nicht schlecht! Nichts, was wir uns in den Keller legen würden, versteht sich. Aber doch weit entfernt von dem, was in manchen vornheraus coolen Kneipen mitunter aus der 1,5-Liter-Gastroflasche ins Glas muss. Auch hier – besonders hier – verbittet sich die Frage, was wir denn da eigentlich im Glas haben. Der Köbes war nett, besser: nachsichtig mit uns. Da will man nicht nachträglich noch alles kaputt machen.

Damit der Laden läuft, muss der Gast bedient werden.
So genau wollen wir es auch wieder nicht wissen, aber ein bisschen Durchblick sollte die Bedienung schon mitbringen.

Neulich in der Kneipe mit Bistrotcharakter des Cinenova-Kinos in Köln. Was habt ihr noch für Weißweine außer dem Sauvignon Blanc?, den wir nämlich schon bemerkt haben. Die junge Bedienung, die sich die dunkelblonden Haare professionell zu einem straffen Pferdeschwanz gebunden hat, dreht sich rum und sagt zu ihrem etwas älteren und deutlich kurzhaarigeren Kollegen: Sag mal, welche Weißweine haben wir sonst noch? Der Mitarbeiter bricht aus der Stillen Post aus, macht einen Schritt auf uns zu und sagt: Den Grauburgunder finden immer alle lecker. Wo kommt der leckere Grauburgunder denn her? Das wisse er jetzt nicht auswendig, aber er könne gerne die Karte bringen. Wir bestellen einfach schon mal. Ja, ist gut, der (wie wir dann erfahren) rheinhessische Graue. Trotzdem finden wir: Gibt man sich den Anstrich eines Bistrots und weist eine kleine Auswahl von Weinen auf, wäre es nicht zu viel verlangt, dass die Bedienungen sie auch ohne die Karte in der Hand kennten. Und ein Wo sowohl mit dem Anbaugebiet als auch mit dem Namen des Winzers beantworten könnten.

Der Gast möchte bedient werden.
Damit die Läden nicht für immer unten bleiben: Der Gast möchte bedient werden.

Folgende Begebenheit ist uns, mit kleinen Variationen, immer wieder passiert, daher wäre es unbillig, just eine der betreffenden Lokalitäten herauszupicken. Was gibt es denn für Rotwein?, fragen wir die Bedienung, die sich nach einiger Zeit zu uns an den Tisch bemüht hat und dort mit gelangweiltem Gesichtsausdruck, das eine Bein vor das andere gestellt, ins Vage schaut. Wir befinden uns in einem Bistrot, Einrichtung und auf eine Kreidetafel handgeschriebene Tellergerichte legen das unbedingt nahe. Also, beginnt sie und wechselt das Standbein, wir haben einen Montepultschano, einen Tempra Nillo, einen chilenischen Wein und einen aus dem Eichenholzfass. Der aus dem Eichenholzfass ist die Empfehlung des Hauses, ergänzt sie das briefing. Gibt es  Montepulciano nur aus dem Stahltank?, geht es uns durch den Kopf. Ob der Tempranillo womöglich aus Chile kommt und im Barrique ausgebaut wurde, die Auswahl mithin lediglich aus zwei unterschiedlichen Weinen bestehe?, sind wir versucht zu fragen. Was läuft hier eigentlich falsch? Dass die Bedienungen nicht alle eine Ausbildung in Hotel und Gastronomie absolviert haben – geschenkt. Aber hier bekommt man den Eindruck, das Anlernen hat gerade einmal so lange gedauert, wie man zum Entkorken einer Flasche oder zum Knackenlassen zweier Schraubverschlüsse braucht. Natürlich verzichten wir darauf, nachzufragen, weil klar ist, dass die auf Zimmertemperatur befindliche Bedienung dadurch nicht zum Preisgeben von lediglich aus dramaturgischen Gründen zurückgehaltenen Informationen ausholen, sondern allenfalls ein weiteres Mal ihr Körpergewicht auf die andere Hüfte verlagern würde. Ein Glas von dem Montepultschano, sagen wir resigniert und meinen eigentlich: Schenk halt irgendwas ein, die Art von ignorantem Phlegma hat uns gerade die Freude an der Differenzierung genommen. Wir sind bedient.
Bistrot, das geht für uns so wie im Bitter in Herford: Die Bedienung präsentiert auf Nachfrage die paar Weine, die es gibt: Rioja etwa, dazu ein paar Vokabeln wie Tempranillo, kräftig und dergleichen. Oder ein chilenischer Merlot (meinen wir uns zu erinnern) namens Isla Negra, vollmundig sollte der sein und weich, war wohl die Ansage. Wir nehmen den Isla Negra, er kommt gut an bei dem Freund und uns, er hält allemal, was er knapp, aber nachvollziehbar versprach. Es wird nachbestellt, Isla Negra, Isla Negra. Das spricht sich auch nach zwei Gläsern übrigens flüssiger aus als beispielsweise Sainte Anne. Auch das Essen schmeckt, trotz einiger Sandkörner im Salat.

Eine Flasche Wein ist im Bistro günstiger als mehrere Gläser zu nehmen.
Da geht uns ein Licht auf: Eine Flasche ist günstiger als viele Gläser!

Als es ans Zahlen geht, setzt sich die als erfahren zu bezeichnende Bedienung zu uns an den Tisch! Das hat etwas anrührend Provinzielles, das haben wir lange nicht erlebt. Während die Bedienung-aus-Leidenschaft (oder zumindest aus wohlwollender Akzeptanz ihres Lebensweges) laut nachdenkt und mit uns als williger Gedächtnisstütze alles auf dem Zettel addiert, schaut sie uns plötzlich überrascht an. Bei so vielen Gläsern Isla Negra hättet ihr doch auch ne Flasche bestellen können, das wär doch viel billiger gewesen! Ein geradezu empörter Unterton ist zu vernehmen. Nun, dann wird sie einfach den Flaschenpreis zugrunde legen, sind wir bei diesem mütterlichen Typ und ehrlichen Haut so überzeugt, dass uns nicht in den Sinn käme, den Gedanken auch nur schüchtern auszusprechen. Doch in dem Punkt irren wir. Lernen tut man immer nur für die Zukunft. Das kann uns auch die Bedienung nicht abnehmen. Aber egal, es hat alles gepasst in dieser Lokalität, wir fühlten uns immer ausreichend informiert und sachgerecht-freundlich geleitet. Mit anderen Worten: Hier wird man bedient.

2 Kommentare

  1. Ich lerne, cher Gérard: Eichenholzfass ist gut. Eichenholzklasse ist schlecht, zumindest der dort ausgeschenkte Wein. Ich hoffe, Du wurdest auf dem Rückflug besser bedient. Oder überhaupt.
    Vielleicht gab es einen der selbst im Libanon kaum zu bekommenden Saint Bernhard im Glas?
    Wir sind dran!

  2. Geraldinho!
    Ich meine mich an diese oder eine ähnliche Begebenheit und insbesondere an den Isla negra wie auch an die besagte Bedienung gut erinnern zu können. Und ja, man sollte diese provinzialische Lokalitäten nicht unterschätzen!!!
    Aber Libanon….? Man wird sehen…

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