Brasilianischer Wein wirkt aus hiesiger Perspektive noch immer exotisch. Absolut ungewöhnlich sind einige Anbaumethoden. Und wie schmecken die Ergebnisse?

Auch wenn brasilianischer Wein aus hiesiger Wahrnehmung sicher unter Ferner liefen rangiert, legt ein zahlenbasierter Vergleich das nicht nahe. Nehmen deutsche Rebanpflanzungen nach Zahlen der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) nach vorläufigen Zahlen für 2024 1,5 Prozent der weltweiten Weinberge ein, sind es bei Brasilien 1,2 Prozent. Platz ist in dem riesigen südamerikanischen Land sicher noch vorhanden, um weitere Weingärten anzulegen. Und tatsächlich sind im Vergleich zum Vorjahr 2000 Hektar dazugekommen.

Brasilien Iguaçu Wasserfall
Iguaçu-Wasserfälle im brasilianischen Bundesstaat Paraná

Ein Grund, warum brasilianischer Wein bisher eher ein Nischendasein gefristet hat, sind sicher auch die klimatischen Bedingungen im Land. Eigentlich ist nur der äußerste Süden kühl genug für den traditionellen Weinbau. Und brasilianischer Wein hat wenig Probleme, vom riesigen Heimatmarkt absorbiert zu werden, zumal die Erträge gerade zuletzt überschaubar waren. Letztes Jahr wurden nach den vorläufigen Zahlen nur 2,1 Millionen Hektoliter gekeltert, in Deutschland waren es trotz Spätfrösten immerhin 7,8. Seit einiger Zeit hat man im größten südamerikanischen Land aber auch Techniken entwickelt, um sowohl im tropischen Zentrum als auch im heiß-trockenen Norden Weinbau zu ermöglichen. Das schafft ganz neue Möglichkeiten und sorgt tendenziell für größere Mengen.

Tropische Gebiete
Rebschnitt
Rebschnitt: hier an der Ahr im Winter

In den zentralen tropischen Landesteilen stellen hohe Temperaturen und Niederschläge eine zentrale Herausforderung dar. Das Klima muss man zwar nehmen, wie es ist, tatsächlich lässt sich aber am Vegetationszyklus der Rebe etwas drehen, so seltsam das auf den ersten Blick anmuten mag. Die alten Triebe werden während der Dormanz, also einige Zeit nach der Lese, zurückgeschnitten. So weit, so normal. Doch nachdem die Rebe das Wachstum neu begonnen hat, wird sie erneut zurückgeschnitten und sozusagen zurück auf Start geschickt. Dadurch verschieben sich Blüte und Reife nach hinten und gelesen wird erst im brasilianischen Winter. Mit Frost muss man in dieser Jahreszeit im tropischen Klima trotzdem nicht rechnen, die Durchschnittstemperaturen liegen dann immer noch bei etwa 15 Grad.

Reben Montalcino Toskana
Hier wird noch im Herbst geherbstet: Reben in der Toskana

Die Vorteile aber liegen auf der Hand. Die Niederschläge nehmen während der Blüte schon ab und sind während der Reife und schließlich der Lese im Durchschnitt gering. Früher, also als man dem natürlichen Rhythmus der Rebe folgte, waren diese Perioden die regenreichsten überhaupt. Die in den Reifemonaten geringeren Temperaturen befördern zudem eine längere Vegetationsperiode, die zusammen mit deutlichen Temperaturunterschieden zwischen Tag und Nacht für eine bessere Ausreifung der Aromen sorgen.

brasilianischer Wein Sauvignon Blanc
Grüne Aromen, hoher Alkohol: Sauvignon aus Minas Gerais

Aus diesem Gebiet, nämlich aus dem Süden von Minas Gerais, stammt der 2024er Sauvignon Blanc des Weinguts Barbara Eliodora. Hellgelb liegt er im Glas und riecht nach Stachelbeere, Maracuja, Staudensellerie, Spargel. Am Gaumen auch grüne Paprika, die Säure deutlich, weiche Textur. Der Alkohol ist für einen solchen Weißwein mit 14 Prozent hoch, aber immerhin gut eingebunden. Ordentlicher Wein.

Der heiße Norden

Im Nordosten des Landes ist es nicht nur heiß, sondern auch trocken: keine gute Kombination für Weinbau. Doch auch hier hat man mittlerweile Reben gepflanzt. Lesen kann man sogar zweimal im Jahr, bewässert wird künstlich. Und da man festgestellt hat, dass die Reben automatisch in die Dormanz, also Winterruhe, gehen, sobald sie kein Wasser mehr zur Verfügung haben, regelt man die Jahreszeiten einfach über den Wasserhahn. Dadurch ist man außerdem nicht mehr dem Zwang ausgesetzt, alle Weinfelder gleichzeitig schneiden oder lesen zu müssen. Während auf dem einen Feld Frühling ist, findet auf einem anderen gerade die Lese statt. Arbeitskraft kann so besser verteilt werden, die stressige Zeit der Lese und winterliche Leerlaufphasen gleichen sich aus. Wie man zu dem Verfahren steht, welche Gefühle es in einem auslöst, wenn selbst der Kreislauf der Natur vom Menschen diktiert wird, steht auf einem anderen Blatt.

brasilianischer Wein Syrah Vale do Sao Fernando
Wein, von wo die Kakteen blühen: Testardi

Aus diesem Landesteil, nämlich aus dem Vale do São Francisco, stammt der Testardi des Weinguts Miolo. Der Syrah aus 2022 zeigt sich kirschrot im Glas und riecht irgendwie nach dunklen Beeren, aber insgesamt recht unpräzise. Am Gaumen eher rote Früchte, die Aromatik bleibt aber diffus. Tannin merklich, ebenfalls die Säure, trotzdem wirkt der Rote ziemlich feurig. Es fehlt an Tiefe und das Ganze bleibt seltsam.

Der kühlere Süden

Viel brasilianischer Wein kommt nach wie vor aus dem tiefsten Süden des Landes auf der Südhalbkugel, etwa 90 Prozent der landesweiten Produktion sollen es sein. Besonders bekannt ist die Region Serra Gaúcha, eine gebirgige Gegend im Nordosten des Bundesstaats Rio Grande do Sul. Sie gliedert sich auf in mehrere Untergebiete, etwas das Vale dos Vinhedos. Nicht nur die südliche Position, sondern teils auch höhere Lagen bis etwa 600 Meter über dem Meeresspiegel sorgen für kühlere Temperaturen. Geeignet für Schaumwein, der in Brasilien ohnehin beliebt ist.

Schaumweine aus Serra Gaúcha
brasilianischer Wein Salton Prosecco
Prosecco, aber nicht aus Italien: Salton

Da ist etwa der Salton Prosecco. In Italien dürfte man nicht glücklich darüber sein, dass man in Brasilien den Begriff verwendet, da dieser seit vielen Jahren für das gleichnamige italienische Anbaugebiet geschützt ist – was durch einen Trick gelang. Wie auch immer, der Wein steht hellgelb und mit grünlichen Reflexen im Glas. Etwas oberflächlicher Geruch, der an Früchtecocktail erinnert. Am Gaumen merkliche Restsüße, ausreichende Frische, Aromen von gelbem Apfel, sonst etwas undefinierbare Frucht. Nicht das Wahre.

Auch die Genossenschaft Garibaldi, die insgesamt etwa 1100 Hektar bewirtschaftet, macht Schaumwein, sogar mehrere. Eine gewisse Besonderheit ist, dass einige davon ein ganzes Jahr im Drucktank auf der Hefe liegen gelassen werden. Ein Verfahren, dass man nicht allzu häufig findet. Método Charmat Longo, langes Charmat-Verfahren, nennt man das dort.

Schicke Flasche, ordentlicher Schaumwein: GV

Der GV Extra Brut ist so einer. Zitronengelb und mit grünlichen Reflexen steht er im Glas und duftet zitrisch, etwas nach Brötchen, belebend. Am Gaumen weiche Perlage, süße gelbe und weiße Frucht, Limette, Apfelkuchen und Schmand. Dieser Long-Charmat-Schaumwein ist durchaus in Ordnung.

Der Blanc de Blanc von Casa Valduga, dieses Weingut gibt es seit 1875, zeigt sich strohgelb mit hellgoldenen Reflexen und duftet nach Blüten und Brotkruse. Nimmt man einen Schluck, sind da auch Mandel und Sahne. Die Perlage ist sehr weich aufschäumend, die Säure etwas zu zurückhaltend. Das ist dennoch sehr in Ordnung.

brasilianischer Schaumwein
Nicht einer wie der andere: Casa Valduga, Casa Pedrucci

Der Casa Pedrucci Brut liegt deutlich strohgelb im Glas, dazu goldene Reflexe. Der 2021er Jahrgangsschaumwein von Casa Pedrucci aus Welschriesling riecht einnehmend nach frischer Butter, Toast, Litschi, weißen Früchten. Am Gaumen leider enttäuschend: zu zurückhaltende Säure, diffuse Aromatik, müde Perlage.

Brasilianischer Wein aus Serra Gaúcha: Stillwein
brasilianischer Rotwein
Merlot de Merlots: Pizzato

Aus der Gegend gibt es freilich auch Stillwein. Die schon oben erwähnte Genossenschaft Garibaldi etwa keltert Palava, das ist eine aus Tschechien stammende Kreuzung. Der 2024er aus der weißen Rebsorte zeigt sich wasserhell. Geruch von Dosenobst, geschwenkt etwas stechend. Am Gaumen dann Mirabelle, Dosenpfirsich, mittlere Säure, insgesamt diffus.

Besser ist der 2023er Tannat Reserva. Kirschrot, dabei ein Duft nach Brombeere, Wildkirsche, Röstaromen, Teer. Am Gaumen auch Sauerkirsche, dazu grüne Töne, weiche Textur, viskos, deutliche Säure. Dicht geknüpftes Tannin, nicht zu kernig. Ordentlich.

Der Merlot de Merlots von Pizzato ist ein weiterer brasilianischer Wein aus dem Süden, der als Stillwein ausgebaut wird. Der 2023er zeigt sich kirschrot und verbreitet Aromen von Kirsche und Rauch. Am Gaumen auch rote Pflaume, weiche Textur, ausgewogenes Tannin, nicht zu kräftig. Es fehlt etwas an Tiefe, aber schöner Wein.

Südamerikanischer Wein
Wein-Südamerika sind nicht nur die alten Bekannten: Uruguay

Brasilianischer Wein nimmt zu und Wein-Südamerika wird eben nicht nur von Argentinien, Chile und Uruguay (und Bolivien) gebildet. Der Einsatz, den man in dem portugiesisch-sprachigen Land an den Tag legt, ist schon recht beeindruckend. Brasilianischer Wein: sollte man im Auge behalten.

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