Moulin-à-Vent, ein Rotwein aus dem Beaujolais, war vor etwa hundert Jahren höchst begehrt. Das belegen historische Weinkarten. Wo steht der Wein heute?

Welche Weine waren vor rund hundert Jahren international angesagt? Teils gibt es Überschneidungen mit heute. Aber besonders interessant sind die Unterschiede. Da ist zum Beispiel der Moulin-à-Vent. Das ist ein geschütztes Ursprungsgebiet im Beaujolais, in der Rotweine aus der Gamay-Traube gekeltert werden. In der Karte des New Yorker Ritz-Carlton von 1941 ist ein 1929er Moulin-à-Vent für 3,50 Dollar aufgeführt. Zur Einordnung: Eine Flasche Romanée-Conti konnte man sich für acht Dollar an den Tisch bringen lassen.

Im Bordrestaurant des Zeppelin Hindenburg in den 1930er Jahren gibt es überhaupt nur zwei französische Weine – einer davon ist ein Moulin-à-Vent. Er kostet mit fünf Mark eine Mark weniger als ein hochklassiger Bordeaux. Und in einer Weinkarte des französischen Einzelhändlers Julien Damoy, vermutlich aus dem Jahr 1927, findet sich ein 1923er Moulin-à-Vent für 16 Francs. Für denselben Betrag steht dort auch ein Pinot Noir aus der renommierten Burgunder Weinbau-Gemeinde Gevrey-Chambertin aus demselben Jahrgang.
An Bord des Zeppelin Hindenburg
Heute kennen nur noch wenige diese knapp 700 Hektar große Appellation mit Lehm-Granit-Böden, die in Frankreich eine der ersten Stunde ist. 1936 wurde sie gleichzeitig mit 75 weiteren vom Institut National de l’Origine et de la Qualité (INAO) eingetragen. Allerdings steckte man die Grenzen von Moulin-à-Vent bereits 1924 aufgrund eines Gerichtsurteils ab. Grund für den Prozess waren Nachahmerprodukte, gegen die man sich schützen wollte. Der Name Moulin-à-Vent muss also eine begehrte Marke gewesen sein.

Darauf lässt auch die Weinkarte aus dem Zeppelin schließen: Während bei dem Bordeaux Genaueres angegeben wird – Deuxième Grand Cru Classé aus Pauillac von Château Pichon-Longueville –, erscheint das dem Verfasser der Karte bei dem Moulin-à-Vent anscheinend entbehrlich. Da es insgesamt auf der Karte nur diese beiden französischen Stillweine gegeben hat, dürfte die Auswahl außerdem sehr bewusst vorgenommen worden sein.
Aus heutigen Weinkarten verschwunden?

Und heute? Das Feinschmecker-Restaurant „Eleven Madison Park“ in New York weist zwar tatsächlich auf zwei (von 200!) Seiten Weinkarte verschiedene Beaujolais-Appellationen und Weine auf. Ein Moulin-à-Vent ist allerdings nicht darunter. Und an Bord der Queen Mary II gibt es auf der fünfzigseitigen Weinkarte zwei Beaujolais‘, keiner aus der Appellation mit der Windmühle. Das ist nicht repräsentativ, aber bezeichnend. (siehe auch Beaujolais zwischen allen Welten)
Moulin-à-Vent kann gut reifen

Heutige Weine aus Moulin-à-Vent sind weder richtig hochpreisig noch besonders günstig. Womöglich haben sie deswegen zusätzlich einen schweren Stand. Denn nicht allzu viele Menschen geben 15 oder 30 Euro für einen Wein aus, der nicht allgemein bekannt und angesehen ist. Und diejenigen, die ein Schnäppchen machen wollen, kommen auch nicht auf ihre Kosten. Wer gerne unbekanntere Weine probiert, sollte sich diese Appellation anschauen. Und selbst entscheiden, ob der Moulin-à-Vent zurecht ein gefallener Engel ist. Wer nicht alles gleich öffnen möchte, kann sich damit Zeit lassen: Man sagt, dass die Weine aus dieser Appellation sehr gut reifen können.
Ein paar Empfehlungen für Neugierige

Wer mal probieren möchte – ein paar Vorschläge. Alles ist aus Moulin-à-Vent, trocken, und aus der roten Rebsorte Gamay.
Domaine du Granit (Franck Bessone)
2015 Tradition: würzig-fruchtige Nase, am Gaumen aromatisch, dicht und frisch, mit Aromen von reifen roten Früchten; ein schlanker Wein mit stabilem Tanningerüst
2015 Les Caves: leichte Holzfassnoten in der Nase, am Gaumen auch balsamische Aromen, trotzdem ein frischer Wein mit mineralischen Noten
2011 Cuvée Lucile-Maud: etwas fetterer, vom (gebrauchten) Holz geprägter Duft von Vanille, Eichenholz; am Gaumen schlanker, Brombeere, Sauerkirsche, feines Tannin
Château du Moulin-à-Vent

2015 Château du Moulin-à-Vent: vom Holz geprägter Duft, am Gaumen schönes Gleichgewicht aus Frucht, Balsamik (Holz, Tabak), Frische, Kraft
2014 Champ de Cour: Duft nach Kirsche, Erde, roten Beeren; am Gaumen Frucht (Sauerkirsche), feines, griffiges Tannin, Frische, dabei trotzdem Kraft
2014 La Rochelle: angenehme, vom Holzfass geprägte Nase; geschwenkt tritt blonder Tabak hinzu; am Gaumen viele balsamische Noten (Edelhölzer, Zigarrenkiste), aber auch Frucht (Kirsche), stabiles Tannin, gute Säure
Domaine Paul Janin et Fils
2016 Vignes du Tremblay: mundschmeichelnder Wein, weiches Tannin
2016 Héritage: von sehr alten Reben; in der Nase Gewürz, am Gaumen überraschende Frische und Aromen von Kirsche, roten Beeren, Pflaume, Kaffee
Château des Jacques

2014 Moulin-à-Vent: Interessanter Duft nach Moos und Stein, am Gaumen dunkle Beeren, Gewürz, Zigarrenkiste, schlanker Körper, dabei kräftig
2014 La Roche: ein fordernder Wein, geprägt von Säure, Mineral, strengem Tannin
2014 Clos du grand Carquelin: geradliniger Wein, schöne Balance aus roter Frucht, Mineral, Säure, dabei straffes Tannin; sensorisch überraschend: zu 100 Prozent im Holz ausgebaut