Prost Post: Trauben, Wein und Briefmarken finden in Deutschland häufiger zusammen. Ein Spiegel der Qualitäts-Offensive im Weinbau? In der DDR dagegen passte das Thema nicht ins System.

Wenig Ware, keine Kunden. „Weintrauben-Verkäuferinnen“ heißt das Gemälde von Max Lingner. Gemalt im Gründungsjahr der DDR, verwendet 1972 auf einer Zuschlagmarke zu 35+5 Pfennig. Zweien der vier Frauen mit ihren Marktkörben sieht man die Langeweile förmlich an. Auch wenn die Darstellung von Menschen bei der Arbeit grundsätzlich in den sozialistischen Realismus passte, so ist von der sonst gerne in harten Linien gezeichneten Aufbauleistung hier wenig zu sehen. Als ‚moralzersetzend‘ sah man das Bild offensichtlich nicht an, aber eine gewisse Melancholie liegt schon über der Szene. Erstaunlich, dass die Deutsche Post – so ihr Name in der DDR – Wein und Briefmarken auf diese Weise zusammenbrachte. Und warum gab man nicht den vollständigen Titel des Gemäldes an: „Weintraubenverkäuferinnen in Südfrankreich“? Gut tat die Post sicherlich daran, nicht die erste Fassung des Bildes auszuwählen: Da waren die Körbe nämlich leer.
Mittelalterlicher Weinbau als Vorbild für heute?

Wein und Briefmarken mit Rückgriff auf die bildende Kunst gibt es auch im Westen, zuerst 1980. „Zwei Jahrtausende Weinbau in Mitteleuropa“ heißt die Marke der Deutschen Bundespost mit Nennwert von 50 Pfennig. Drei Abbildungen, entnommen aus einem mittelalterlichen Stundenbuch, sind darauf abgebildet: Die Arbeit im Weinberg, Einmaischen und Pressen der Trauben, Probe des fertigen Weins im Keller. Die Abbildungen wirken für den modernen Betrachter sehr historisch. Zum einen durch die Art der Darstellung: Der Strich zeigt nur das Wesentliche, der Rest bleibt weiß, eine klare Perspektive fehlt. Zum anderen ist auch die Arbeitsweise des Winzers sehr weit weg, zumal in den fortschrittsgläubigen 1980er Jahren: In mühsamer Handarbeit wird das sich an den Reben emporrankende Unkraut ausgerauft, die Trauben mit den nackten Füßen zerstampft und die Presse ist auch nicht elektrisch-pneumatisch. Heute dagegen erscheint einem die mittelalterliche Szene schon wieder wegweisend: Mensch statt Maschine, Hacke statt Spritzmittel, althergebrachte Methoden.

„Das Mädchen mit dem Weinglas“ von Jan Vermeer van Delft bewegt sich künstlerisch auf einem anderen Stern: eine komplexe Komposition, vielsagende Details, lebhafter Einsatz von Farbe und Licht. Das Genrebild ist 2017 auf einer 70-Cent-Marke der Deutschen Post AG im Rahmen der Serie „Schätze aus deutschen Museen“ abgebildet worden. Achtet man auf die Rolle des Weins in der Darstellung, wird dieser hier nicht wie 1980 bloß als traditionelles Getränk aufgeführt, sondern als Genussmittel und Symbol des Sinnlichen: Am Weinglas berühren sich die Hand des werbendes Mannes und die der jungen Frau. Und der Betrachter nimmt im Geiste vorweg, was in der Folge passieren dürfte. Obwohl im Hintergrund eine zumindest dösende Figur die Zweisamkeit stört und ein gestrenger Herr von einem düsteren Porträt an der Wand über die Szene zu wachen scheint.

Wirklichkeitsgetreue Abbildungen?
Für das Gemälde eines holländischen Meisters hat sich auch die DDR-Post entschieden. Innerhalb der Reihe „Vermißte Gemälde“ zeigt die 10-Pfennig-Marke das „Traubenpflückende Mädchen“ von Gerard Dou. Auch hierbei handelt es sich um ein Genrebild: Ein Mädchen wird bei der Lese gezeigt, kurioserweise nachts und bei Kerzenschein. Offenbar geht es hier nicht um die realistische Darstellung der Arbeit im Weinberg – dafür wäre sicher auch der Korb zu klein. Auf jeden Fall ist es eine typische Licht-und-Schatten-Darstellung des Leidener Feinmalers aus dem 17. Jahrhundert. Da die Marke in Braun gehalten ist, bleibt einem die Farbgebung des Gemäldes verborgen. Warum widmete man einem solchen Bild eine Briefmarke? Dem Wiederauffinden des Gemäldes wird es wohl nicht gedient haben. Gleichzeitig stammt diese Kunst aus einer Zeit, deren soziale Ordnung man für überwunden glaubte. Tatsächlich passt aber die Darstellung einer Person bei der Arbeit wieder in das ästhetische Programm der DDR. Allerdings dürfte die wenig realistische Darstellung manchem Arbeiter und Weinbauern sauer aufgestoßen sein: Auch bei Max Lingners Ostberliner Mural „Aufbau der Republik“ wurde moniert, dass der abgebildete Traktor sich vom Original unterscheide. Einem Befürworter des Sozialismus verzeiht man so viel Ignoranz wahrscheinlich aber noch weniger als einem alten holländischen Meister.

Eine nicht besonders realistische Abbildung einer Trauben pflückenden Frau findet sich auch auf einer bundesdeutschen Wohlfahrtsmarke von 1958 zu 20 + 10 Pfennig. Die holzschnittartige Figur mit Schürze und gepunktetem Kopftuch wirkt nicht nur aus emanzipatorischen Gründen befremdlich: Dass Traubenpflücken anders aussieht, soll Bundespräsident Theodor Heuss (siehe Wein-Büc