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Wein-Bücher Knut Bergmann Mit Wein Staat machen Stefan Bausewein Julia Schuller Die Weinmacher

Zwei sehr unterschiedliche Wein-Bücher sind neu auf dem Markt: Das eine zeigt Wein als Mittel der Diplomatie und Repräsentation in der bundesdeutschen Politik. Das andere bebildert das Winzerjahr und stellt fränkische Weingüter vor.

Knut Bergmann: Mit Wein Staat machen
Wein-Bücher Genuss Tafeln Wein Bankett
In Deutschland schnell ein Politikum: Wie viel Genuss ist erlaubt?

Das erste der beiden Wein-Bücher ist eines, das man so wohl noch nicht gesehen hat. „Mit Wein Staat machen“ geht der Frage nach, was auf höchster Staatsebene ausgeschenkt wird. Und zwar im Kern von den Anfängen der Bundesrepublik bis in die Gegenwart. Dabei geht das Werk der Frage nach, was die bei den Banketten geöffneten Weine über die verantwortlichen Personen (Bundespräsident, Bundeskanzler) aussagen sowie über das Bild, das man von Deutschland vermitteln will. Gleichzeitig gilt es jedoch immer, sich auch vor dem Wähler und Steuerzahler zu rechtfertigen. Denn anders als beispielsweise in Frankreich sei in Deutschland „gustatorische Expertise“ und ein damit einhergehendes Budget politisch abträglich. Das Dilemma der Nachkriegszeit –angesichts der bescheidenen Verhältnisse eines Großteils der Bevölkerung nicht abgehoben zu erscheinen und gleichzeitig internationalen Standards gerecht zu werden – hat sich auch bei dem später wachsenden allgemeinen Wohlstand im Kern kaum verändert.

Der Sekt der frühen Jahre
Wein-Bücher Knut Bergmann deutscher Sekt Champagner
Champagner ist eigentlich nie falsch. Bei deutschem Sekt ist sich der Autor nicht immer sicher.

Autor Knut Bergmann, der jahrelang selbst im politischen Berlin beruflich aktiv war, zeigt ferner die Entwicklung von einer internationalen zu einer grundsätzlich deutschen Weinauswahl. Gerade Rotwein hielt man bei Politiker-Essen lange Zeit für nicht repräsentabel genug. Dazu kam und kommt, dass selbst herausragende deutsche Winzer international selten so bekannt sind wie beispielsweise große Namen aus Bordeaux. Beim Schaumwein wurde gleichwohl von Anfang an überwiegend auf deutsche Produkte gesetzt, deren damalige Qualität Bergmann wiederholt in Frage stellt („es bleibt [angesichts des ausgewählten Sekts] zu hoffen, dass sich [der indonesische Präsident] Sukarno alkoholtechnisch auf seine Religion berief.“).

Genussmittel als Schmiermittel der Diplomatie

Gleichzeitig geht es immer auch um die Frage, inwiefern Bundespräsident und –kanzler zum Wein standen: Während Theodor Heuss als Freund eines ehrlichen Württemberger Rotweins dargestellt wird, soll Konrad Adenauer in Sachen Wein ein Feinschmecker gewesen sein. Dem ersten Bundeskanzler wird in diesem Zusammenhang nachgesagt, seinem Nachfolger Ludwig Erhard den Weinkeller des Kanzleramts nicht gegönnt zu haben. Außerdem soll er sich erkundigt haben, ob er im Falle eines Wechsels ins Bundespräsidentenamt den Kellerinhalt hätte mitnehmen können. Verdeutlicht wird aber auch der diplomatische Nutzen der Vinophilie, etwa indem Adenauer während einer Frankreichreise Anfang der 1960er Jahre viele Franzosen durch seine Weinkenntnisse für sich einnehmen konnte.

Kochjacke Frankreich Trikolore
Genussaffinität zählt in Frankreich zum guten Ton: Detail einer Kochjacke.

Konsequenterweise wird etwa eine gustatorische Unbedarftheit wie von Helmut Schmidt nicht bloß als Privatsache abgehakt. „Der Wein ist mir egal, das Essen ist mir auch egal“, soll er gesagt haben und die Ansprüche der Protokollchefs hinsichtlich der Speisen- und Weinauswahl teils als „größenwahnsinnig“ kritisiert haben. Dass dem politischen Gast all dies aber nicht gleichermaßen „egal“ sein muss, wird vom Autor als die andere Seite der Medaille angesehen. Sein Schlagwort hierzu ist Wein- oder Gastro-Diplomatie, ein den Gast umwerbendes politisches Handeln. Die repräsentative Ebene kommt noch hinzu. In diesem Zusammenhang verteidigt der Autor etwa Walter Scheel gegen die schlechte Presse, die er bekam angesichts des Stellenwerts, die er dem Protokollarischen beimaß.

Die „Henkersmahlzeit“ der DDR
Wein-Bücher Reims Champagner Kreidefelsen Keller
Hier hat ein Franzose vorgesorgt: Champagnerkeller in Reims.

Die Betrachtungen reichen fast bis zur politischen Gegenwart und manches (Bild-) Material selbst bis 2018, was natürlich attraktiv ist. Dass gleichzeitig Bernard Vaussion als „der Chefkoch des Élysée“ bezeichnet wird, obwohl bereits 2013 durch Guillaume Gomez ersetzt, ist vielleicht nur undeutlich formuliert. Natürlich können auf 366 Seiten auch Versehen passieren, etwa den Nachnamen der Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts falsch anzugeben. Sie fallen nur dadurch auf, dass der Autor selbst sich wiederholt über kleinere Schreibfehler des protokollarischen Dienstes mokiert (etwa Ruinard statt Ruinart, Huoncker statt Huonker, Kreidkeller statt Kreidekeller). Bergmann gefällt es, in die manchmal trockener als gedachten Zusammenhänge etwas Humor hineinzubringen. Fragwürdig wird dieses Vorgehen dann, wenn es letztlich nur um hineingereichte persönliche Ansichten mit humorigem Anstrich geht. Beispielsweise wenn er gegen eine Rebsorte ätzt („einen der besseren Gutedel, was aber nicht viel hilft“), das Menü zum 40-jährigen Bestehen der DDR bissig als „Henkersmahlzeit“ bezeichnet, Martin Schulz mehr denn augenzwinkernd als „nach Umwegen alkoholabstinent“ bezeichnet oder Klischees bedient („im Vergleich mit den immerhin beim Wein vorsorgenden Franzosen“).

Eine Geschichte der Bundesrepublik

Auch wenn der Wein den roten Faden in diesem Band bildet, sollte man nicht über den Untertitel, „Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“, hinwegsehen. In manchen Kapiteln kommt der Wein kaum vor, die Positionierung des Landes im internationalen Kontext, ihr Personal und die (protokollarischen) Sitten stehen häufig im Vordergrund. Das geht aber mehr als in Ordnung, denn nur eingebunden in einen größeren Rahmen lässt sich die Geschichte des Weins in der Spitzenpolitik überhaupt jenseits des Anekdotischen erzählen, nämlich als deren Spiegel. Das verwendete Zitat eines jugoslawischen Kulturattachés könnte als Motto des Bandes selbst dienen: „Was man [bei Staatsbanketts] zu essen und zu trinken bekam, sagt auch etwas über Staat und Staatsform aus.“

Wein-Bücher Knut Bergmann Mit Wein Staat machen Stefan Bausewein Julia Schuller Die Weinmacher
Neue Bücher zum Wein: Knut Bergmann, Mit Wein Staat machen; Stefan Bausewein und Julia Schuller, Die Weinmacher
 Stefan Bausewein, Julia Schuller: Die Weinmacher

Das zweite der Wein-Bücher kommt im Bildbandformat. Das verwundert wenig, werden die beiden Autoren Stefan Bausewein und Julia Schuller doch im Vorwort als „Gestalter“ bezeichnet. Der Titel „Die Weinmacher. Ein Jahr mit den fränkischen Winzern“ zeigt bereits die Spannung auf, in dem sich das Buch befindet: einerseits eine ganze Reihe von Winzern zu präsentieren, andererseits die saisonalen Tätigkeiten des Winzerberufs im Allgemeinen darzustellen.

Weinfranken Main Reben
Der Main und die Reben: Weinfranken.
Der Main als Kordel

Der Band besticht in der Tat durch seinen visuellen Reiz. Bereits die abstrakte Übersicht zu Weinfranken, gebastelt aus grünen Filzstücken, einer blauen Kordel sowie unterschiedlichen Steinen, dürfte zu den originellsten und gleichzeitig eingängigsten Darstellungen des geographisch etwas komplizierten Anbaugebiets gehören. Das einzige, was bei dieser tollen Panoramaansicht auf Untergebiete, Main und Bodenarten vielleicht noch hätte ergänzt werden können, ist ein Relief. Schließlich ist allein die Erhebung, die der Escherndorfer Lump vollzieht, ein topographisches Faszinosum. Gleichzeitig besticht die gebastelte Weinlandschaft eben auch durch ihre Reduktion.

Escherndorfer Lump
Im Wortsinne erhaben: Escherndorfer Lump.

Auch an anderen Stellen des Bandes gibt es Doppelseiten, die sich gestalterisch einem Thema widmen, etwa der Sommerbegrünung in den Rebzeilen oder dem Werkzeug des Winzers: Vor weißem Hintergrund und sauber voneinander getrennt und beschriftet werden die einzelnen Posten dargestellt. Diese archivarisch-aufgeräumte Ästhetik hat was. Warum die gute alte hölzerne Weinkiste ein Werkzeug sein soll, sei dabei einmal dahingestellt. Natürlich lebt das großformatige der beiden Wein-Bücher auch sonst von den Fotografien: schöne Portraits, stimmungsvolle Landschaftsaufnahmen, aufschlussreiche Details, lehrreiche Dokumentation von Tätigkeiten.

Die fünf Jahreszeiten des Winzers
Wein-Bücher Franken Iphofen Reben
Rebzeilen beim fränkischen Iphofen.

Der Band gliedert sich in fünf Jahreszeiten: Winter, Frühling, Sommer, Herbst, Winter. Die Doppelung der kalten Jahreszeit liegt darin begründet, dass die Autoren mit den ersten Arbeiten auf dem Weg zum Wein beginnen wollten. Das ist nun mal der Rebschnitt. Der Ausbau der Weine stellt das Thema des zweiten Winter-Kapitels dar. Ein gewisses Manko bei dieser Gliederung bleibt jedoch, dass sie zusammen mit dem Titel suggerieren, es gehe im Wesentlichen um das Saisonale der Winzerarbeit. Die typischen Tätigkeiten je nach Jahreszeit, die natürlich nicht nur in Franken gelten, werden in sehr knappen Texten erläutert. Den größten Teil nehmen jedoch Interviews mit rund zwei Dutzend Winzern, einer Genossenschaft, einem Küfer sowie einem Weininstitut ein. Das bietet zwar die Möglichkeit, eine gute Mischung aus Personen der fränkischen Weinwelt etwas näher kennenzulernen. Gleichzeitig hat das Prinzip aber auch etwas Additives bis Redundantes, wenn sich Interview an Interview reiht. So liest man manche Aussagen in ähnlicher Form immer wieder, etwa dass man ganz oder überwiegend biologisch arbeite, um den Weinberg lebendig zu erhalten, dass der Boden sich im Wein ausdrücken soll oder dass man das ganze Jahr auf die Lese hinarbeite.

Wein-Bücher Traubenannahme
Auf die Lese arbeiten doch alle Winzer hin: Traubenannahme in der Toskana.
Thematische Klammer?

Gleichzeitig bietet die Textsorte Interview eben nur eingeschränkt die Möglichkeit der Vermittlung zwischen Interviewtem und Leser. Beim Gespräch mit der Büttnerei Aßmann heißt es etwa: „Aus den anderen Stämmen, die keinen Drehwuchs haben, werden die Lagerfässer gemacht. Also stärker angeschnitten, bis 60, 70 Millimeter. Die werden dann auf Leisten gelegt, kerngetrennt. […] Dann werden die Fassköpfe behandelt, sie werden ausgegerbt, geendet. Dann kommt die Nut, die Gargel, rein.“ Vielleicht hat es auch einen gewissen Reiz, in so viel Fachjargon eines altertümlichen Berufs einzutauchen, auch wenn man nicht alles versteht. Gleichwohl kontrastiert dies auch mit dem Erkläransatz, den das Buch auf der anderen Seite herausstellt. Um sich inspirieren zu lassen, wessen Weine man aus Franken vielleicht einmal probieren möchte, taugt der Band auf jeden Fall. Vor allem für denjenigen, der sich eher von schönen Fotos und den Menschen hinter den Weinen ansprechen lässt als durch die Expertise reiner Weinführer. Die Vorhabe, das Winzerjahr im Allgemeinen und zahlreiche fränkische „Weinmacher“ im Besonderen integriert vorzustellen, wirkt dabei nicht wie aus einem Guss.

(siehe auch Wein-Bücher II und Wein-Bücher I)

Wein-Bücher Küfer Büttner Fassbinder
Ich versteh nur Holzfass: Die Fachbegriffe des Küfers kennt nicht jeder.

 

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Knut Bergmann: Mit Wein Staat machen. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Berlin 2018. 25 Euro.

Stefan Bausewein, Julia Schuller: Die Weinmacher. Ein Jahr mit den fränkischen Winzern. Cadolzburg 2018. 35 Euro.

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