Lage Cuvée Verschnitt VDP Riesling

Beim VDP galt bisher, dass Lagen nur genannt werden, wenn der Wein aus einer einzigen stammt. Doch statt Lage, Lage, Lage geht es immer öfter additiv zu: Lage, Lage und noch eine Lage. Vier Beispiele.

Einzellage Kanzemer Altenberg Saar
Einzellage: Kanzemer Altenberg.

Die Einzellage bildet das Heiligtum eines jeden Weinguts und beim Verband Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter (VDP) wurde dieses Prinzip überhöht durch den Glaubenssatz „Je enger die Herkunft, desto höher die Qualität.“ Dass die besonders kleine Herkunft auch besonders gut ist, vorausgesetzt. Um den Grad an Qualität sichtbar zu machen, etablierte man 2012 die vier Qualitätsstufen „Gutswein“, „Ortswein“, „Erste Lage“ und „Große Lage“. Bei der Großen Lage sind die Auflagen am strengsten, etwa hinsichtlich der Ertragsreduktion, und es darf nur ein trockener Wein, ein sogenanntes Großes Gewächs, aus einer solchen Lage gekeltert werden. Nimmt man Trauben daraus für andere Weine, ist der Nimbus der Herkunft dahin, der Wein wird abgestuft. Nun aber gibt es zunehmend abklassifizierte Weine, die mit den Herkunftslagen werben. Was soll das und wie schmeckt das?

7 Terroirs von Gut Hermannsberg
Gut Hermannsberg Nahe
Gut Hermannsberg an der Nahe.

Einer der marktschreierischen Lagenverschnitte ist der „7 Terroirs“ von Gut Hermannsberg. Es handelt sich um eine Cuvée aus sieben vom Verband als Große Lagen bezeichneten Weinbergen im Anbaugebiet Nahe. Jede Lage würde einzeln vinifiziert, wie es auf der Homepage des Weinguts heißt, und anschließend verschnitten. Als Großes Gewächs darf der Wein dann nicht bezeichnet werden. Was soll das?

Gut Hermannsberg 7 Terroirs Nahe
1 Gutswein, 7 Terroirs.

Jedes Weingut hat auch Trauben in Spitzenlagen, die qualitativ abfallen. In diesem Fall sind es jüngere Rebstöcke. Selbst wenn man nicht einen ganzen Hang neu bestockt, müssen regelmäßig kranke oder eingegangene Pflanzen ausgetauscht werden. Diese liefern nicht die gleiche Traubenqualität wie ältere. Dann ist die Frage, wie man mit diesem Lesegut umgeht, wenn man seine Paradeweine nicht damit verwässern möchte.

Der zumindest bisher gewöhnliche Schritt war, solche Trauben für den Guts- oder, falls möglich, Ortswein zu nutzen. Sie also abzuqualifizieren. Ein konsequenter Schritt, wenn man die Qualität nicht gut genug findet für die Flaggschiffweine. Natürlich hat das unter anderem zur Folge, dass man in ein gänzlich anderes Preissegment rutscht. Lag der Durchschnittspreis für ein Großes Gewächs nach den letztgenannten „Facts & Figures“ des VDP bei 40 Euro, waren es für den Ortswein 14 und für den Gutswein 11,50 Euro. Der „7 Terroirs“ von Hermannsberg kostet derzeit ab Weingut 14,90 Euro.

Nun könnte man sagen, dass Trauben von jungen Reben aus Spitzenlagen immer noch besser sind als von etwas älteren aus Unter-ferner-liefen-Weingärten. Sollte das stimmen, fehlen diese besseren Trauben dann wiederum im ordinären Gutswein und lassen diesen qualitativ absinken. Wie auch immer: Der Reiz, ein schlagkräftiges Kaufargument zu liefern und gleichzeitig einen guten Preis zu bekommen, war wohl groß. Denn auch wenn das weder auf dem Frontetikett noch der Kapsel steht, als Gutswein ausgezeichnet ist der „7 Terroirs“ schon. Wie sich dies damit verträgt, dass der Riesling „zu 100% aus unseren 7 VDP Grossen Lagen stammt“, wie es im gutseigenen Online-Shop heißt, wird weder dort noch in dem aufrufbaren „Weinpass“ erklärt. Für den normalen Verbraucher ist mithin nicht erkennbar, was der Haken an dem Wein sein könnte. Ist er zumindest sein Geld wert?

Verkostungsnotizen
Riesling Trauben
Rieslingtrauben.

Der 2023er zeigt sich grüngelb im Glas und duftet nach grünem Apfel, Grapefruit, Pfirsichhaut, Wiesenkräutern und Stängeln, geschwenkt auch etwas nach nasser Wolle. Vitaler Antritt am Gaumen, limettenfrisch im Abgang, präsente, aber gut eingebundene Säure, schmeichelhafte Textur, Leichtigkeit, schöner Wein.

GeisBock von van Volxem
Lage Van Volxem Mosel Saar Weingut
Aus zwei mach eins: Van Volxem.

Mit ziemlichem Tamtam hat das Saar-Weingut Van Volxem 2016 angefangen, zwölf Hektar der im Dornröschenschlaf liegenden Lage Geisberg von Bäumen zu roden und neu zu bestocken. Aus dem Studium ehemals verlangter Preise für Geisberg-Gewächse anhand alter Weinkarten, von denen das Weingut einige besitzt, und aus der Verkostung eines historischen Weins von dort habe man sich laut Weinguts-Homepage dazu entschlossen, den Geisberg zu reaktivieren. Die letzten Jahre wurde ein Riesling Kabinett aus den jungen Reben der alten Lage gekeltert und im Moment für 21 Euro ab Hof vermarktet. Im VDP gilt der Geisberg als Große Lage. Auf der Van-Volxem-Homepage ist von Weinen die Rede, „die sehr präzise den Zauber jeder einzelner unserer Lagen genau auf den Punkt – und in das Glas – bringen.“

Lage Geisberg Saar Volxem Kabinett
Zurecht mit Lagenname: Geisberg Kabinett.

Umso größer fiel die Überraschung aus, als dieses Jahr bei der Mainzer Weinbörse eine Fassprobe eines Weins namens GeisBock gezeigt wurde. Der halbtrockene Riesling firmiert zwar als Gutswein und ein R in Klammern verweist auf einen geschützten Eigen- und keinen Lagennamen. Aber man versteht eben, was gemeint ist. Geht es auch hier darum, etwas mit dem Nimbus eines Lagenweins zu verkaufen, was strenggenommen eine andere Liga bildet? Laut Kellermeister Christoph Friedrich zeigen die betreffenden Chargen aus den beiden Lagen keine qualitativen Mängel, seien aber früher zugänglich und nicht für eine „ewig lange Lagerung“ geeignet. Und warum der Flirt mit den Lagennamen? Bisher sei die Cuvée als Ortswein verkauft worden, weil beide Lagen zur Gemeinde Ockfen gezählt wurden. Jetzt aber werde der Geisberg der Gemeinde Schoden zugerechnet – was die Bezeichnung Ortswein unmöglich macht. Der Wein ist jetzt formal ein Gutswein, aber der Kunstname wirbt eben doch noch mit dem Anspruch, etwas mehr zu sein.

Verkostungsnotizen
Lage Saar Wein
Wer schmückt sich nicht gern mit Großen Lagen?

Das Ergebnis aus dem Jahrgang 2023 zeigte sich im Glas grüngelb und roch sehr kräutrig sowie nach junger Ananas. Der Antrunk expressiv, feine Süße, rauchig-schiefrige Töne, saftig, dicht, überzeugende Steinobst-Frucht. Cooler Wein.

Übrigens wurde gerade auch der erste trockene Wein aus dem Geisberg vorgestellt, also ein Großes Gewächs. Es stammt aus einem zugekauften Stück aus etwas älteren Reben. Dadurch ist der gesamte Geisberg im Besitz von Van Volxem und wird jetzt stolz als Monopollage bezeichnet.

Dorn-Dürkheimer Silvaner von Gutzler
Lage Silvaner
Silvanerreben in Franken.

Aufgefallen war im Frühjahr diesen Jahres ein Silvaner aus Rheinhessen, der sensorisch überzeugte. Dorn Dürkheim ist eine Gemeinde zwischen Mainz und Worms, der 2022er Dorn Dürkheimer Silvaner vom rheinhessischen VDP-Weingut Gutzler mithin ein Ortswein. Sollte man meinen. Auf dem Front-Etikett schimmert jedoch der Begriff „VDP Aus ersten Lagen“. Tatsächlich haben rheinhessische VDP-Weingüter 2018 den Ortswein abgeschafft und stattdessen diese besser klingende Bezeichnung verwendet. Welche Lagen das sind und wer diese klassifiziert hat: Man weiß es nicht. In der offiziellen Club-Nomenklatur gibt es diese Klassifizierung gar nicht, es ist eine Insel-Lösung des Regionalverbands Rheinhessen. Auf der Homepage des Gesamt-VDP findet sich dazu denn auch keinerlei Information. „Aus Ersten Lagen“ klingt sicher werbewirksamer als „Ortswein“. Ob es das wert ist, die eingängige bundeseinheitliche Club-Klassifikation infrage zu stellen, steht auf einem anderen Blatt. Übrigens haben mittlerweile im Anbaugebiet Mosel einige Weingüter nachgezogen.

Weingut St. Antony Nierstein
Weingut St. Antony im rheinhessischen Nierstein.

Selbst wenn man wüsste, aus welchen „Ersten Lagen“ – Rheinhessen hatte auf diese Klassifikationsstufe verzichtet! – die Trauben stammen: Die Idee des Einzellagen-Charakters, den die Begriffe Erste und Große Lage des VDP verkörpern oder besser verkörperten, ist damit beschädigt. Der verbrämte Ortswein kostet im Weingut übrigens 20,50 Euro und damit etwas mehr als der zuletzt veröffentliche VDP-Durchschnittspreis für eine echte Erste Lage in Höhe von 20 Euro, und ist dort „nicht vorrätig“.

Verkostungsnotizen
Drei Lagen Unser Aufbruch Wein
3 Lagen, 2 Anbaugebiete, 1 Aufbruch.

Bei der Verkostung präsentierte er sich hellgelb, mit grünlichen und hellgoldenen Reflexen. Duft von Keller, ernst. Geschwenkt gesellte sich Winterapfel dazu, Kräuter, Moos, Vanille. Am Gaumen außerdem geröstete Haselnuss, Kraft, Schmelz, dabei eine merkliche Frische, Mineralität. Ein sehr schöner, sicher langlebiger Silvaner. Den verschwommenen Ausdruck „Aus Ersten Lagen“ bräuchte es dafür nicht.

Unser Aufbruch von Robert Weil, St. Antony, Battenfeld-Spanier

Das letzte Beispiel ist geradezu sagenhaft: Ein Landwein im VDP, der aus Trauben dreier Großer Lagen gekeltert wird. Landwein Rhein deshalb, weil die Weinberge in unterschiedlichen Anbaugebieten liegen, nämlich Rheinhessen und dem Rheingau. Die dahinterstehenden Weingüter sind Robert Weil, St. Antony und Battenfeld-Spanier. Der Name des Gemeinschafts-Weins heißt „Unser Aufbruch“ und bezieht sich auf eine Initiative der drei Weingüter aus der Corona-Zeit. Auch wenn diese weit weg erscheint, ist der Wein aus dem Jahrgang 2021 nun erst herausgebracht worden.

Verkostungsnotizen
Lage Wein Riesling
Käuflich ist er schon: Unser Aufbruch.

Im Glas zeigt er sich hellgolden und duftet flintig-rauchig nach aufgebrochenem Fels, Kamille, Zitronat und Mandarinenschale sowie alten Dielen. Geschwenkt kommt roter Pfirsich hinzu, Weinkeller, kühl. Nimmt man einen Schluck, wirkt das steinig, ernst, stimmig, im Abgang herb-druckvoll mit lebendiger, gut eingebundener Säure. Leicht ätherisch, geschmeidige Textur auf der Oberfläche, edel, komplex. Der Jahrgang 2021 macht jetzt schon viel Freude und wird mit weiterer Reife bestimmt noch besser.

Ein besonderer Wein, der auf dem Frontetikett nicht mit Lage, Lage, Lage wirbt, noch nicht einmal mit den Namen der Weingüter. Sicher ein Projektwein, aber dennoch bleibt festzuhalten: Lagen miteinander zu verschneiden ist an sich kein Problem, wenn es gute Gründe dafür gibt. Dann sollte man aber auch nicht mehr mit Lage, Lage, Lage um sich werfen. Gut gemacht!

Ein Kommentar

  1. Die Trauben alter Reben aus besten Lagen haben ha entgegen der ideologischen Prämissen keineswegs ein notwendiges Porentisl zum Spitzenwein. Weinbauliche Faktoren und mehr als alles andere der Jahrgang Mut seiner spezifischen Witterung sind auch qualitätsentscheidend. Genauso ist es natürlich Ideologie und Idiotie, dass nur ein trockener Wein Qualitätsspitze sein kann und ein solches Großes Gewächs ein Monopol im Terroirausdruck besitzt. Selbst bei günstigen Bedingungen wird nur ein Teil der Ernte aus der Spitzenlage sich zum Spitzengewächs eignen. Das erfordert bei der herkunftsbasierten Weinklassifikation den Zweitwein oder Drittwein dem seine Herkunft aberkannt werden muss damit die Ideologie des je enger je besser funktioniert. Die Zweitweine sind die namenlosen Bastarde der Großen Lagen. Bei Riesling und unserer großen Jahrgangsvarianz funktioniert das System besonders schlecht. Im Laufe des Herbstes aus einer Lage verschiedene lagentypische Weine in verschiedenen Qualitätsstufen und Geschnacksrichtungen zu erzeugen war normal. Nur einem Wrintyp die Lagenbezeichnung zuzuerkennen wäre keinem Winzer an Rhein und Mosel in den Sinn gekommen. Was für ein Schwachsinn ist es auch!

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