Naturwein in gut – das ist eine Herausforderung. Oskar Maurer hat sie erfolgreich angenommen.
In der serbischen Vojvodina ist es vor allem eines: flach. Die Gegend zählt zum pannonischen Becken, in der heiße Sommer und moderat kalte Winter sich abwechseln, gern mittlerweile auch beinah unter Auslassung von Herbst und Frühling. In der Batschka, im äußersten Norden der Vojvodina und im Grenzgebiet mit Ungarn, sind die Böden nicht nur flach, sondern vielfach auch noch extrem sandig. Wie soll in solch einer Gegend guter Wein entstehen? Und dann auch noch Naturwein in gut?
Bis zu 140 Jahre alte Reben
Nun, wie auch immer, Oskar Maurer bekommt es hin. Sicherlich helfen einerseits die teils über 100 Jahre alten Reben. Die rote Kadarka ist sogar 140 Jahre alt und wurzelecht – in dem feinsandigen Boden hatte die Reblaus nie eine Chance. Fast wären die Reben gerodet worden, da ein Nachbar keine Lust mehr hatte, sich den Rücken krumm zu machen, da die Stöcke in Buscherziehung kurz über dem Boden wachsen. Eine Obstwiese sollte daraus entstehen. Gerade noch rechtzeitig wurde man handelseinig und Oskar kaufte die Anpflanzung. Knapp zwei Drittel seiner Reben stehen in Fruška Gora, einem Gebirge entlang der Donau, etwa eine Autostunde südlich.
Naturwein – in gut
Oszkár, wie er sich meistens ungarisch schreibt, macht Naturwein. Dieser rechtlich nicht definierte Begriff meint ungefähr so viel wie: möglichst wenig Eingriffe. Schwefel, Schönen, Filtrieren, Reinzuchthefen – gar nicht oder sehr wenig. Es gibt genug Naturweine, die extrem schwierig zu trinken sind. Häufig liegt das daran, dass etwas nicht so gut gelaufen ist: Unerwünschte Hefestämme haben ziemlich unangenehme Noten von Kuhstall in den Wein gebracht oder die Schwefelarmut für Oxidation gesorgt. Nicht so bei Oszkár. Die Weine stehen alle super da: Naturwein in gut.
Sortenvielfalt als Herzensanliegen
So wie er verschiedene Tomatensorten im Garten hegt und pflegt, so ist ihm auch die Diversität von Rebsorten ein Anliegen. Gerade für fast vergessene Trauben hat Oskar ein Herz. Schon mal was von Steinschiller, Grünspitzer oder Tausendgut gehört? Falls nein: Es liegt nicht daran, dass diese nicht schmecken. Von manchen dieser Sorten, deren Namen in der Regel auf Ungarisch auf dem Etikett stehen (die übrigens auch graphisch höchst unterschiedlich ausfallen), hat er nur winzige Mengen. Wenn man durch seinen Keller streift, steht hier und da ein Glasballon mit einer orange-kupferfarbenen Flüssigkeit. Warum er das in den Glasballon gegeben hat? Weil das alles ist, was er davon hat, sagt sein Mitarbeiter Dragan lakonisch.
Die verträgliche Leichtigkeit des Weins
Der 2019er Pétillant Naturel, also ein in der Flasche fertig gegorener und dadurch moussierender Wein, ist schon gleich eine Ansage. Erstens weil Oskar Weißglas gewählt hat und die dunklen Hefebrocken, die obenauf schwimmen, nicht durch ein gefärbtes Glas dezent ausgeblendet werden. Zweitens eben die Rebsorte: Ezerjó, zu deutsch Tausendgut.
Der PetNat punktet durch viel Apfelfrische und große Leichtigkeit – ein appetitanregender, leichtfüßiger Schaumwein. Auch der erste Stillwein, ein 2019er Szerémi Zöld (Grünspitzer) hat sich der Leichtigkeit des Seins verschrieben: Aromen von Apfel und Apfelschale, mit etwas Luftkontakt auch Blumenwiese. Der trockene Wein hat ein feines Säurespiel und nur 10,5 Prozent Alkohol. Warum? Weil die Trauben so selektiert wurden, sagt Oskar. „Das trinken die Leute hier auch tagsüber, dann darf der Wein nicht so stark sein.“ Das leuchtet ein.
In Serbien, aber auf Ungarisch
Oskar, dessen Familie im 19. Jahrhundert aus Österreich in die Batschka zog, ist ein typisches Kind dieser Gegend: Zwischen den Kulturen lebend, vielleicht dem Ungarischen am nächsten, dessen Schreibweise er auch bevorzugt. In Budapest, das etwa genauso weit entfernt liegt wie Belgrad, führen einige Restaurants seine Weine. Suchen muss man diese aber schon. Ein kleiner Familienbetrieb, der im dünn besiedelten Grenzgebiet knapp außerhalb der EU Naturweine keltert, denen er sehr unterschiedliche Etiketten aufklebt – die laufen einem nicht unbedingt von selbst über den Weg. Aber wer keine Angst vor naturtrüben Weinen hat, der findet hier tolle sensorische Überraschungen.
Riesling als Naturwein in gut
Selbst einen Riesling macht er, der auch aus rieslingverwöhnter deutscher Sicht klasse schmeckt. Und zwar gerade nicht, weil er versuchen würde, wie eine Kopie des deutschen Stils zu schmecken. Sondern weil er die Rebsorte mit seinem Terroir interpretiert. Totem hat er diesen genannt. Im Glas leuchtet der 2017er erst orange und verfärbt sich ziemlich schnell ins Bräunliche. Er duftet nach Zeder, am Gaumen sind da Aromen von Bratapfel, die aber nicht in die Breite gehen. Schöne Würzigkeit und Mineralität mit einer gut eingebundenen Säure. Ein toller Wein!
Apfel, Glühweingewürz, Kamille
Ein Knaller ist auch der Kövidinka (Steinschiller) aus 95 Jahre alten Reben, der sich aus dem Jahrgang 2017 im Glas leicht orange mit hellkupfernen Reflexen präsentiert. Er duftet nach Gewürzschrank, geschwenkt treten vor allem Nelke und Zimt hervor, Apfel und Bratapfel treten hinzu sowie etwas Orangenzeste. Am Gaumen tolle Würzigkeit und bitzelnd-feine Mineralik. Trocken, leicht, mit sehr gutem Trinkfluss! Die alte ungarische Weißweinsorte Furmint darf natürlich auch nicht fehlen: Der 2019er sieht aus wie trüber Apfelsaft und duftet leicht fruchtig nach Apfelschalen. Am Gaumen würzig-saftig, roter Apfel, etwas Kamille, Glühweingewürz, ein saftiger, trinkfreudiger Wein.
Kadarka Anno 1880
Die Palette der weißen (beziehungsweise orangen) Weine ist lang, einer sei hier noch genannt: Der 2015er Szerémi Mézes Fehér, der karamellfarben und mit hellkupfernen Reflexen ins Glas fließt. Er duftet leicht würzig, nach Edelhölzern, ein bisschen Karamell und Teesatz. Am Gaumen dann frische Kernobst-Fruchtigkeit, Kamille und mit längerem Luftkontakt eine Idee von Rauchfleisch. Die Säure ist fein eingewoben, der Nachhall lang.
Auch wenn die Weißweine insgesamt attraktiver wirken als die roten, sollte der anfangs erwähnte Kadarka „1880“ aus 140 Jahre alten wurzelechten Reben nicht unerwähnt bleiben. Das ist roter Naturwein in gut, in sehr gut! Der 2017er zeigt eine leicht fleischige Nase, am Gaumen wilde rote und dunkle, herbe Beeren und etwas Grünes, das an Lorbeer erinnert. Super saftig, mit viel Struktur und guter Säure ausgestattet. Saft, Kraft und Trinkfluss – und das alles bei überschaubaren zwölf Prozent Alkohol!
Je weniger man eine Gegend auf dem Zettel hat, umso größer können die Überraschungen ausfallen. Das Weingut Oszkár Maurer aus dem Örtchen Hajdukovo ist so eine. Mit Naturwein in gut.
Ein Kommentar
Vielen Dank für die ansprechende Beschreibung dieser besonderen Weine. Eine Ergänzung: Der Grund für die ungarischen Namen und Bezeichnungen liegt darin, dasst das Gebiet (Vojvodina) bis nach dem ersten Weltkrieg zu Ungarn gehörte und erst dann Serbien zugeschlagen wurde. Das hat Dorf eine ungarische ethnische Mehrheit. Mit freundlichen Grüssen aus Ungarn