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Wein 2018 Entwicklungen Trends

ProWein 2018: Riesling und Wahrheit

Rund 7000 Aussteller aus 64 Ländern: Wie soll man sich auf der Weinmesse in Düsseldorf einen Überblick über die neuesten Entwicklungen verschaffen?

ProWein 2018 Italien Österreich
Auf der Weinmesse: Von allem zu viel.

Viele kennen das aus besseren Restaurants: Die Weinkarte ist ein Buch. Wie soll man sich darin zurechtfinden? Vorne anfangen und bis hinten durchlesen, bevor man sich entscheidet? Da macht das Restaurant schon zu. Auf der ProWein in Düsseldorf, die sich sicher zurecht als Wein-Leitmesse bezeichnet, ist die Problematik die gleiche. Französische Weine? Zwei Hallen voll. Italienische? Ebenfalls zwei. Und so weiter. So wird das nichts. Simplify your life, hieß es doch mal irgendwann! Wie kürzt man das endlose Angebot so zusammen, dass es – vielleicht – handhabbar wird? Einfach nur eine Rebsorte beachten! Der Riesling soll es sein!

ProWein 2018 Goldriesling
Riesling: Die ganze Messe auf eine Rebsorte reduzieren?

Deutschland ist Rieslingland, also geht es beim Weingut Schätzel aus Rheinhessen los. Dort werden gerne Kabinettweine eingeschenkt. Kabinett, das sind in der reinen Lehre süffige Weine, die häufig etwas Restsüße haben. Restsüße hat der Hipping Kabinett tatsächlich, aber wer süffig mit gefällig übersetzt, ist hier fehl am Platz! Birne, grüner Apfel, viel Frische und kein Gramm Fett auf den Knochen! Den Pettenthal Kabinett vom Nordhang findet Winzer Kai Schätzel „noch kristalliner“. Müssen die Wein-Glossare vielleicht umgeschrieben werden?

Sanftes aus Sachsen auf der ProWein
Wein 2018 Entwicklungen Trends
In welche Richtung entwickelt sich die Weinwelt?

Während die Gedanken noch um diese Fragen kreisen, macht einen ein freundlicher Herr auf den Gemeinschaftsstand des Weinbauverbands Sachsen aufmerksam. Sachsen? Das wird doch bestimmt noch säurebetonter als eben der rheinhessische Wein! Besonders stolz ist man beim Staatsweingut Schloss Wackerbarth auf den Goldriesling, eine sächsische Spezialität. Leichte Würze, sanftes Mundgefühl… Aber es ist definitiv eine andere Rebsorte, also her mit dem richtigen Riesling! Den gibt’s hier allenfalls als Sekt? Sei’s drum! Leichtes Apfelaroma, sanfte Perlage, stabile, aber durch die Flaschengärung gut gepufferte Säure. Gut! Die Nachbarwinzer am Gemeinschaftsstand haben Riesling auch als Stillwein. Zum Beispiel Martin Schwarz vom gleichnamigen Weingut. Sein Riesling Kapitelberg duftet und schmeckt leicht nach Karamell, Nuss und Apfel. Sauer geht anders. Beim Weingut Riesling Kabinett von Kastler Friedland ähnliches: mild, schlank, guter Trinkfluss. Nachdenklich geht es weiter.

Polen liegt außerhalb der üblichen Weinbauzone

Was ist das? Winnica Turnau: ein polnisches Weingut! Senior-Chef Zbigniew Turnau kommt gerade mit fünf eingerahmten Auszeichnungen vom Piwi-Award zurück, also gezüchtete, pilzwiderstandsfähige Rebsorten. Was man halt so anbaut jenseits des 50. Breitengrades, der nördlichen Grenze unseres Weinbaukorridors, wo es feucht und kalt wird! Ach was, Riesling haben sie auch? Bei so ausgeprägtem kontinentalen Klima? Nun, dann mal her mit der polnischen Antwort auf Wodka! In der Nase ist der Wein etwas verhalten, am Gaumen sehr frisch mit Anklängen an junge Ananas und zitrische Noten, sogar etwas Schmelz. Ein ordentlicher Wein.

ProWein 2018 Weinmesse Überangebot
Auf der ProWein ist Orientierung gefragt.

Wenn schon exotisch, dann auch richtig! Mutig wird am armenischen Weingut Koor nach Riesling gefragt. Die freundliche Dame schüttelt allerdings den Kopf. „Wir wollen die armenische Geschichte zum Ausdruck bringen“, sagt sie. Und dazu gehört offensichtlich, auf autochthone Rebsorten zu setzen. Zum Beispiel auf Voskehat, eine weiße Traube. Tja, was tun? Schon fließt der als Reserve ausgebaute Wein ins Glas. Er verfügt über einen leichten Schmelz, im Abgang macht sich Säure bemerkbar, aber auch Feuer, die Aromen sind herb, der Gerbstoff unterstützt diesen Eindruck. Hm, das ist wirklich exotisch. Und irgendwie cool. Was ist noch exotischer im Weinbau als Armenien? England! Riesling: Fehlanzeige beim Weingut Litmus. Dafür sei es zu kalt, sagt Chris Daniels. Na bitte, dann war das eben mit Riesling jenseits des 50. Breitengrads eben doch die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Ui, selbst der Blanc de Noirs, meistens ein süffiger milder Wein, kommt in der britischen Variante ganz schön sauer rüber. Und was ist das bitte für eine verrückte Cuvée? Chardonnay mit Bacchus? Klingt wie Bier mit Cola! Schmeckt aber eigentlich ganz geil. Und der Grauburgunder hat gleichzeitig Schmelz und Frische.

Hochzeiten von kräftig und körperreich sind vorbei
ProWein 2018 englisches amerikanisches Weingut
In Düsseldorf ist es von England nach Amerika nur ein Katzensprung.

Aus England über den großen Teich in die Vereinigten Staaten. Bei Riesling winken viele ab. Riesling ist Erziehungsarbeit, sagt sogar ein Winzer. Viele hielten das immer noch für das klebrige Zeug aus Deutschland, das früher billig im Supermarkt verkauft wurde. Schließlich findet sich doch noch etwas, gleich drei verschiedene Rieslinge aus der American Viticultural Area (AVA) Willamette Valley in Oregon werden eingeschenkt. Der Kings Ridge von Union Wine kommt mit zwölf Prozent Alkohol aus, verfügt über leicht florale Aromen und ist am Gaumen schlank und mit einer sanften Säurespur versehen. Die beiden anderen haben etwas mehr Fülle, werden aber auch durch ein gutes Quantum Frische im Zaum gehalten. Schau an.

Nun gut, wo werden Weine aber ganz bestimmt noch dick und rund? Australien! Nur um bestätigt zu bekommen, was ohnehin schon klar ist, soll der Winzer einen Riesling oder das, was sich so schimpft, einschenken. Sam Barry vom Weingut Jim Barry schaut dabei ganz seelenruhig drein. Er weiß wohl nicht, dass er es hier mit einem Besucher aus dem Rieslingland zu tun hat! Beim ersten Schluck ziehen sich die Wangen jedoch reflexartig zusammen: Der Watervale Riesling schmeckt apflig und gerade im Abgang ziemlich frisch! Sam schenkt schon den nächsten namens The Florita ein. Da ist Würze, eine leichte Petrolnote und ja, auch dieser Riesling ist schlank, sogar mineralisch und verfügt über eine präsente Säure.

Biowein aus Kroatien
ProWein 2018 Willkommen
ProWein 2018: Willkommen und Abschied.

Ganz schön anstrengend das alles. Riesling hin oder her, es wird einfach Zeit für etwas ganz anderes. Einen Rotwein aus dem Mittelmeerraum mit dem Verwöhnaroma, um all die verwirrenden Eindrücke zu besänftigen. Irgendwas mit Merlot vielleicht. Was steht da überall bei den kroatischen Winzern ? Plavac mali heißt die Rebsorte der Wahl, der Kleine Blaue. Ganz schön stark, der Kleine, und in vielen Fällen mit einem Tannin versehen, das einem den Schuh auszieht! Das Weingut Terra Madre bekommt ausgewogene Weine in die Flasche. Selbst der im Holzfass ausgebaute „premium“ ist nicht zu wuchtig und zeigt eine gewisse Frische. Das Tannin ist kernig, aber nicht so adstringierend. Vielleicht liegt es daran, dass es sich um Biowein handelt? Der soll ja zu etwas schlankeren Ergebnissen führen.

Der Rundgang über die ProWein ist beendet. Nachdenklichkeit ist eingekehrt. Die Welt hat sich schon wieder weitergedreht. Die Grenze für den Weinbau ist nach Norden gerückt. Selbst die, die es können, verzichten häufiger auf Kraft und Körper, Frische im Wein scheint gefragter. Auch wenn es just in Sachsen viel säureärmer zuging als gedacht! Und statt überall die Blockbustertrauben Cabernet Sauvignon und Chardonnay anzubauen, setzen gerade die kleinen Weinbauländer mit neuerwachtem Stolz auf das, was dort schon immer wuchs, auch wenn es lange Zeit kaum jemanden interessiert hat. (zu kaum bekannten Rebsorten siehe auch Libanesischer Wein etwas für Neugierige)

 

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