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Über 100 Jahre alt, aus über 3000 Metern Höhe, mit mehr als 50 Prozent Restzucker: rekordverdächtige Weine, aber schmecken sie?

Rekordverdächtige Weine haben eines gemeinsam: Einen Faktor, der sie formal besonders macht. Etwa in unglaublicher Höhe angebaut worden zu sein. Das ist schon mal ein Achtungszeichen. Doch schmeckt das auch wie rekordverdächtige Weine?

Hoch

Die Provinz Salta im Nordwesten Argentiniens ist äußerst schwach besiedelt, die Entlegenheit und teils extreme Höhenlagen tragen dazu bei. Allerdings gibt es in der Gegend einige Weinbaubetriebe, insbesondere im Departamento Cafayate. Das Weingut Colomé hat zusätzlich die Herausforderung angenommen, besonders stark in die Höhe zu gehen: bis auf 3111 Höhenmeter, um genau zu sein. Das ist mehr als die Zugspitze und kratzt zumindest an den 3406 Metern des Fitz Roy an der argentinisch-chilenischen Grenze, den man – natürlich – ganz oben auf dieser Seite sieht. Und schmecken die in Höchstlagen angebauten Weine nun auch spitze?

Rekordverdächtige Weine Salta Cafayate Argentinien
Wild, trocken, felsig: Gegend bei Cafayate, Nordwest-Argentinien.

Der 2022er Altura Máxima Sauvigon Blanc riecht vegetabil, vor allem nach Paprika, sowie leicht mikrobiologisch und etwas fülliger. Am Gaumen zeigt der Weiße viel Stachelbeere, etwas Kiwi und Paprika, einen abgerundeten Körper sowie belebende Säure. Das ist auf jeden Fall angenehm zu trinken.

Rekordverdächtige Weine Altura Maxima Colome über 3000 Meter Weinberg
3111 M: Dezenter Hinweis auf die „Maximale Höhe“.

Bei den Roten leuchtet der Altura Máxima Pinot Noir aus dem Jahrgang 2021 hell-rubinrot im Glas mit leicht granatrotem Einschlag. Der Wein duftet nach Pilzen, Herbstlaub und Wacholder, nach dunklen Beeren und Walderde. Nimmt man einen Schluck, sind da leichte Röstaromen, Heckenrose, rote Beeren. Sehr lebendig mit gut eingebundener, vibrierender Säure und gut strukturiertem Tannin. Klasse Wein.

Der Malbec aus der Altura Máxima ist von 2018 und zeigt sich in sehr dunklem, fast schwarzem Rubinrot. Würzig-fleischige Noten, Tabak und Maulbeeren. Am Gaumen ist das ein extrem kräftiger, geradezu brennender Wein, mit Aromen von Schwarzkirsche, Brombeere, Schlehe und Süßholz, und muskulösem Tannin.

Rekordverdächtige Weine Colome Argentinien Spätburgunder und Malbec Rotwein
Ein superkräftiger Malbec und ein erdiger Spätburgunder aus großer Höhe.
Südlich

Nicht nur im Norden, auch im Süden Argentiniens gibt es rekordverdächtige Weine. Nicht vergessen darf man, dass es auf der Südhalbkugel tendenziell kälter wird, je weiter man nach Süden kommt. Patagonien mag für schier unendliche Weiten bekannt sein, für kräftigen Wind und jede Menge Schafe; Weinbau ist nicht das erste, was einem einfällt.

Entsprechend gering sind auch die Anbauflächen. Und doch lohnt es, die Weine aus dieser Gegend nicht einfach auszuklammern. Denn dann würden einem folgende, rekordverdächtige Weine aus Pinot Noir entgehen: alle von dem noch keine 20 Jahre alten Weingut Chacra.

Patagonien Ushuaia Beagle Kanal Argentinien
Noch deutlich tiefer im patagonischen Süden: Beagle-Kanal.

Der 2021er Sin Azufre (ungeschwefelt) zeigt ein mittleres Rubinrot und duftet nach Schwarzkirsche, Gebüsch, zarten Röstaromen und animalischen Tönen. Am Gaumen dunkle Beeren, etwas Süßholz, kühl, samtig, stützende Säure.

Der 2018er Cincuenta y Cinco riecht nach Stein, Rauchfleisch, dunklen Beeren und einem Hauch Menthol. Nimmt man einen Schluck, sind da rote Früchte, Lakritz, Fruchtextrakt, ein wärmend-lebendiger Wein mit leicht stoffiger Konsistenz, sehr schön.

Der Treinta y Dos aus 2016 zeigt rote Beeren, Gewürz und leicht fleischige Noten. Der Wein schmeckt nach reifer Sauerkirsche, Cassis, etwas Vanille. Stabiles Tannin, hervorragend eingebundenen Säure, wärmend, edel, langer Nachhall!

Rekordverdächtige Weine Bodega Chacra Patagonien Argentinien Pinot Noir
Einer schöner als der andere: Pinot Noir der patagonischen Bodega Chacra.

Der 2015er Barda schließlich leuchtet mit mittlerer Farbtiefe granatrot und duftet nach Speck, Marzipan, Karamell und Zigarrenkiste. Der Rote schmeckt nach dunklen Beeren, Kaffee, Mandel und Herbstlaub sowie eingelegten Früchten und einem Tupfer Vanille, hinzu kommen fleischige Töne. Das Tannin ist samtig-gereift, die Säure stützt, beeindruckender Wein.

Alt
Andresen Port Colheita 1900
Von 1900.

Er war mein unverhofftes Highlight während eines Besuchs in der Portwein-Kellerei Andresen in Vila Nova de Gaia, wo dieses Familienunternehmen zwischen einigen der supergroßen Hersteller beheimatet ist. Während bei der Präsentation der allgemein erhältlichen Portweine lediglich eine Colheita von 1900 erwähnt wurde, schenkte Kellermeister Álvaro van Zeller kurzentschlossen einen Schluck davon ein, als man in seinem Labor darüber sprach. Positiv von der Situation und dem unglaublichen Geschmacksbild überrumpelt, habe ich keine Verkostungsnotizen dazu angefertigt. Kurzum: Es war ein beeindruckender Wein (Port hat um die 20 Prozent Alkohol und kann sehr lange reifen) und ein bewegendes Erlebnis, einen Schluck eines so alten Weines probieren zu dürfen. 1900! Das Wort Weltkrieg kannte man da noch nicht, auf der Pariser Weltausstellung wurden technische Neuerungen wie die Rolltreppe vorgestellt, in Wien veröffentlichte Sigmund Freud „Die Traumdeutung“. Rekordverdächtige Weine ohne diesen Port: für mich undenkbar.

Besonders selten, besonders süß auf Seite 2!

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