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Visuelle Darstellung von Aromen im Wein in Form von Früchten und Kräutern

Wein ist kein Früchtecocktail

Weinaromen, visualisiert: Möglichkeiten und Grenzen

Welche Aromen sind im Wein? Das ist eine in Weinbeschreibungen eminent wichtige Frage, schließlich bekommt der Leser so Aufschluss darüber, ob Aromen, die er in einem Wein schätzt, vorhanden sind und in welchem Grade. Immer häufiger sieht man aber auch bildliche Darstellungen, in denen die Dinge, nach denen der Wein schmecken soll, in einem Weinglas übereinandergeschichtet werden.

Ist alles so schön bunt hier! Visualisierung von Weinaromen.

Es findet sich in diesen Abbildungen auch mal ein Stück Holz oder eine Zigarre, ansonsten aber – nachvollziehbarerweise – vor allem Früchte. Das Ganze verfügt durchaus über einiges an Informationsgehalt, eben in visualisierter Form. Und sicherlich sollen die Abbildungen nur eine Vorstellung vermitteln, welche Aromen wir in dem Wein vorfinden, mehr nicht. Interessant ist die Idee der Verbildlichung außerdem deshalb, weil erwiesenermaßen viele Menschen visuell leichter Informationen aufnehmen und speichern können.
Zweifelhaft ist, ob ein Bild dem Betrachter tatsächlich nur die Analogie vermittelt: Da sind Brombeeren abgebildet und Kirschen, also finden sich in dem Roten auch Aromen von Brombeeren und Kirschen. Vielmehr passiert im Kopf des Betrachters wohl noch etwas anderes – ob von der Abbildung beabsichtigt oder nicht –, und zwar diesen (Obst-) Salat zu verkosten; auf welche Art und Weise, sei einmal dahingestellt (essen? pürieren und dann trinken?). Diese Vorstellung ist vielleicht schön, hat aber mit Weingenuss so ziemlich gar nichts zu tun. Wenn Wein das Gleiche oder auch nur so etwas Ähnliches wäre wie Fruchtsaft, dann könnte man auch einfach Fruchtsaft trinken, das ist gesünder, billiger und in der Herstellung einfacher.
Kann im Übrigen in einem, sagen wir, Sauvignon Blanc Stachelbeere sein? Oder Passionsfrucht? Dass ein Wein schweflig riecht, weil im Weinberg Feuerstein in der Erde ruht und die Wurzeln Spuren davon in die Trauben gebracht haben, kann man nachvollziehen. Aber Stachelbeere oder Passionsfrucht? Ja, die Aromen sind da, aber dadurch ist trotzdem nicht das im Wein, was uns die Visualisierung suggeriert: Dass da ein bisschen (verflüssigte) Passionsfrucht drin wäre und ein Schuss Stachelbeersaft. Jeder, der schon einmal einen solchen Saft getrunken hat, weiß, dass das mit Sauvignon Blanc ziemlich wenig zu tun hat. Allein das Dickflüssige eines solchen Drinks erinnert mitnichten an das beinahe Ätherische eines spritzigen Weißweins. Ein dickflüssiger Obstsaft macht voll und satt, ein Gläschen Weißwein macht hungrig im besten Sinne. Wenn wir an Wein denken, denken wir nicht an Fruchtsaft.

Herr Ober, da ist was in meinem Weinglas! Wo liegen die Grenzen der Visualisierung?

Bemerkenswert ist am Rande, dass anscheinend nur adrett Ausschauendes in die Gläser gelegt werden darf: Frisches Obst, Kräuter, Vanilleschoten. Was ist mit Aromen von Petroleum, rohem Fleisch, Katzenpisse – so etwas haben wir zumindest bisher noch auf keiner Abbildung entdeckt. Es lässt sich der Eindruck nicht ganz beiseiteschieben, dass hier Bilder erzeugt werden, die sich vor den Wein schieben – schieben sollen? Ist Wein schließlich nicht sowie irgendwie politisch inkorrekt, allein schon wegen des nicht mehr sehr zeitgemäßen Alkohols? Dem Auge Unproblematisches wie Äpfel und Birnen zu präsentieren, wirkt da beschwichtigend. Schließlich gibt es auch Brauereien, die bei Werbung und Sponsoring so tun, als würden sie nur isotonische Sportgetränke herstellen. Aber es werden eben auch Äpfel mit Birnen verglichen, denn Wein lässt sich nicht auf ein paar nette Aromen reduzieren. Er ist ein letztlich nicht auflösbares Gebilde, die Alchemie von Rebsorte, Boden, Klima, Keller, Winzer. Und ein Gebilde, das unvergleichlich ist.
Sind Weinbeschreibungen damit auch verzichtbar? Wir meinen: nein. Die Weinbeschreibung spricht von einem Hauch Vanille, einer Idee Rauch, einer deutlichen Note von Wildkirsche. Und sie verfügt über wesentlich mehr Kategorien als ein mit Obst gefülltes Glas: Dass sich ein Wein brillant im Glas präsentiert, dass er kräftig ist, Struktur besitzt oder eine gute Länge. Eine Weinbeschreibung, auch eine gelungene, wird uns niemals ein Geschmackserlebnis ersetzen. Aber sie versucht es auch nicht, selbst dann, wenn sie euphorisch oder holzschnittartig ist. Denn Sprache spricht auch immer von der eigenen Bedingtheit: Jeder Text könnte erweitert oder gekürzt werden und Beschreibungen ein und desselben Weines sind bekanntlich unterschiedlich. Außerdem hält Sprache offen, was auch in der Realität nicht eindeutig ist, wenn sie etwa von Eichenholznoten spricht, die sich weder verstecken noch aufdringlich wirken. Ein Bild von einem Glas, in das Früchte gelegt wurden, sagt uns: Seht her, so ist es. Und so schmeckt es. Ein Glück, dass es nicht so ist.

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