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Bekaa Arak Brun Domaine des Tourelles

Die rote Erde der Bekaa-Ebene

Bekaa im Libanon: Seit der Römerzeit ist die Hochebene im Grenzgebiet zu Syrien bekannt für ihre Reben. Zu Besuch bei zwei Weingütern.

Bekaa Domaine des Tourelles Faouzi Issa Arak
Säckeweise Anissamen für den Arak: Faouzi Issa von Domaine des Tourelles.

Wir waren die ersten. Diese Art von Rekord scheint Faouzi Issa, dem Kellermeister von Domaine des Tourelles, wichtig zu sein. Das erste kommerzielle Weingut des Libanon, 1868 gegründet, an der Westseite der Bekaa-Ebene. Gut, Château Ksara sei älter, aber die hätten seinerzeit eben nur für die Mönche Wein gekeltert. Und Domaine des Tourelles habe 1963 als erstes Weingut im Lande mit dem Keltern von Rosé begonnen. Die Füllung davon aus dem Jahrgang 2016 wird aus den Rebsorten Cinsault, Syrah und Tempranillo gewonnen, eine Zusammensetzung, die erst einmal aufhorchen lässt, im Mund ein angenehmes Gesamtbild abgibt mit Aromen von Kernobst, etwas Kirsche und Erdbeere sowie einer dezenten Säure im Hintergrund.

Wein und Arak
Bekaa Arak Brun Domaine des Tourelles
Nicht anfassen! Alter Arak, der traditionelle Anisschnaps des Libanon.

Aber wir greifen vor, denn vor den Wein hat Faouzi den Arak gesetzt. Schließlich verlassen die Domäne jedes Jahr 300000 Flaschen des hochprozentigen, auf Weinbrand basierenden Anisschnapses, während die Weinproduktion aktuell bei 250000 Flaschen liegt. Er greift in einen Jutesack und hält uns eine Handvoll grüne Anisssamen entgegen. Der ganze Lagerraum duftet nach den aufeinandergestapelten Säcken, daneben liegen die abmontierten Brennblasen, denn die Destillerie wird gerade komplett auseinandergenommen und saniert.
Was heißt das?, fragen wir und zeigen auf eine Amphore, auf der mit Kreide einige arabische Lettern notiert worden sind. Nicht anfassen!, entgegnet Faouzi und wir zucken kurz zusammen. Das steht da!, erklärt er lachend. Die Amphore ist nicht nur, wie alle anderen, handgefertigt, sondern enthält Arak aus dem Jahr 2003, ein besonderer Schatz. Ein älterer Mann, dessen Portrait an der Wand in Ehren gehalten wird und der sich eigentlich schon zur Ruhe gesetzt hatte, entschied sich, die traditionelle Arbeit des Amphorentöpferns doch wieder aufzunehmen – ein Handwerk, das kaum mehr jemand beherrscht. Der Ton absorbiert die negativen Substanzen, sagt der Kellermeister. Außerdem wird der Arak in den Amphoren weicher, zeigt er sich überzeugt.

Bekaa Domaine des Tourelles Libanongebirge
Domaine des Tourelles, dahinter das Libanongebirge.
„Spätburgunder des Libanon“

Die Weine – ein Rosé, zwei Weiße, drei Rote – bieten einen recht bunten Strauß an Rebsorten, Stilen und Ausbauarten. Ein besonders interessanter Wein ist der „Vieilles Vignes“ von 2014, ein Cinsault, den Faouzi als „Spätburgunder des Libanon“ bezeichnet. Auf jeden Fall handelt es sich um einen schlanken Rotwein mit dezenter Würze, Aromen von eingelegten roten Früchten und ausbalancierter Säure. Der Wein ist aromatisch und verfügt schon über recht weiche Tannine.
Das Weingut liegt am Eingang in die Bekaa-Ebene. Von Beirut nimmt man die stark befahrene Überlandstraße Richtung Damaskus und überquert das Libanongebirge, auf dem noch Schneereste liegen. Die Hochfläche liegt dann auf etwa tausend Höhenmetern und ermöglicht durch das damit verbundene Klima – abends kühlt es deutlich ab – sowie den ton- und kalkhaltigen, mineralstoffreichen und oftmals rot gefärbten Boden den Anbau qualitativ hochwertiger Reben. Auf der Ostseite des 120 Kilometern langen, aber nur etwa zehn Kilometern breiten Tals befindet sich die archäologische Stätte von Baalbek. Der gewaltige und hervorragend erhaltene römische Bacchustempel spiegelt den Stellenwert des Weins bei den Römern wider. Schon lange vor ihnen bauten allerdings die Phönizier hier oben Wein an. Noch etwas weiter östlich wird die Hochebene wiederum begrenzt durch einen weiteren Gebirgszug, den Antilibanon, dahinter beginnt Syrien. (zu Weingütern in anderen libanesischen Gebieten siehe auch bei weinsprech.de: Weingüter im Libanon und Libanon – kleinere Winzer und ein neuer)

Bekaa schneebedeckte Golanhöhen Château Kefraya
Rote Erde für roten Wein: Parzelle von Kefraya, im Hintergrund der Schnee der Golanhöhen.
Zwischen hohen Bergen: die Bekaa-Ebene

Eine halbe Fahrtstunde weiter Richtung Süden befindet sich Château Kefraya. Fabrice Guiberteau, der hier für die Weine des stattliche 300 Hektar großen Weingutes verantwortlich zeichnet, fährt mit uns die nach Osten ausgerichteten Hänge hinauf, von denen man einen phantastischen Ausblick über die Bekaa-Ebene auf den Antilibanon bekommt, hinter dem im Südosten noch höhere, schneebedeckte Berge aufragen. Das sind die Golanhöhen, erklärt Fabrice.
Nachdem er unter der Motorhaube etwas gewerkelt hat, sodass der Motor wieder anspringt, kündigt er an: Ich zeige Ihnen jetzt die Römer. Persönlich bekommen wir sie nicht zu Gesicht, aber die Gräber, die sich hinter einem höhlenartigen Eingang verbergen, zeugen von ihnen.

Bekaa Römische Gräber
Ich zeige Ihnen jetzt die Römer: Blick aus der Unterwelt.

Wie weit sich die unterirdischen Anlagen erstrecken, kann man nur erahnen. Ein gutes Stück entfernt ist der Kellermeister mit seinem schweren Jeep zuletzt mit den Hinterrädern eingebrochen, zu dünn war offensichtlich die Decke zu den verborgenen Hohlräumen an dieser Stelle. Mit einem schweren Vollernter könnte man allein aus diesem Grund wohl kaum arbeiten, aber diese Geräte kennt man hier ohnehin nur vom Hörensagen.

Römische Kelter
Bekaa Château Kefraya Reben Vielfalt
300 Hektar Reben, aber alles andere als tristes Einerlei: Château Kefraya.

Die Römer haben auch eine freiliegende Kelter hinterlassen, die allerdings in einem präsentablen Zustand zu halten sich noch niemand zur Aufgabe gemacht hat. Vor allem aber ist Fabrice mit uns hier hochgefahren, um uns seine Herzens-Angelegenheit zu zeigen: die unterschiedlichen Terroirs. Dort ist der Boden total rot, weiter hinten ist er aber von den vielen Steinen ganz hell, zeigt er aufgeregt in die eine Richtung. Auf dem Stück wird der Syrah besonders gut, weist er mit dem Kopf in die andere.

Im Keller, der nicht nur äußerst geräumig, sondern auch sehr aufgeräumt und blitzsauber ist, deutet er im Vorbeigehen auf ein paar kleinere Gärbehälter, die er unlängst zusätzlich angeschafft hat, um noch mehr Parzellen einzeln ausbauen und so ihrem besonderen Charakter nachforschen zu können. Im Barriquekeller müssen wir dann die Probe aufs Exempel machen: ein Syrah von dieser Parzelle, einer von jener, Grenache aus dem einen, dann aus zwei anderen Jahrgängen. Einen 2014er Cabernet Franc mit straffem Körper, kräftigen Tanninen und dezenten Bleistiftnoten, einen 2016er Cinsault, dessen kräftige Würze von einem Ertrag von lediglich 30 Hektolitern pro Hektar herrührt. Es folgen Fassproben der fertigen Weißweincuvées, die kurz vor der Abfüllung stehen, verglichen wird danach mit denen des Vorjahrs, die bereits auf der Flasche sind. Von den schon verkäuflichen Roten gefällt etwa die 2014er Cuvée Les Côteaux, die am Gaumen sehr viel Frucht zeigt, mit einem stabilen Tanningerüst und leichten Holzfassnoten aufwartet und sehr harmonisch ausfällt. (mehr zu Entwicklungen der Weinstilistik: „Libanesischer Wein etwas für Neugierige“)

Der Terroir-Verrückte
Bekaa Fabrice Guiberteau Terroir
Wie schmeckt wohl diese Parzelle? Fabrice Guiberteau liebt sein Terroir.

Fabrice Guiberteau ist ein Terroir-Verrückter, der auch lieber bei den Reben seinen Grill aufschlägt, als sich ins Nachtleben von Beirut zu stürzen. Er ist einer der wenigen, die nicht jeden Tag aus der quirligen Hauptstadt hinauffahren, sondern bevorzugt es, in der Bekaa-Ebene auch zu wohnen. Den damit verbundenen engen Kontakt zur Natur merkt man auch daran, dass er zum Herausnehmen eines Barriques vor der Abfüllung den Zeitpunkt wählt, wenn der Mond am weitesten von der Erde entfernt ist, damit durch die dann geringere Gravitationskraft die Schwebeteilchen vom Fassboden nicht aufgewirbelt werden. Auch wenn er noch ein wenig mitmischt bei den Experimenten mit alten Ugni-Blanc-Reben seiner Familie im Westen Frankreichs, so scheint sein Platz doch hier in der Levante zu sein, in der er nun schon im elften Jahr das Terroir immer besser versteht: Bekaa, Libanon, Wein, diesen Zusammenhang kann einem wohl kaum jemand so greifbar machen wie er.

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